Jörg, ist Besserbrauer das “Malen nach Zahlen” für Hobbybrauer?

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Jörg Iversen ist einer der beiden Gründer von Besserbrauer. Mit seinen Brauboxen macht er Hobbybrauer glücklich. Meistens. Wir haben mit ihm über seinen Umgang mit Kritik, überschäumende Biere, Beer Fails und Zeitreisen gesprochen. Ein Podcast in Kooperation mit Hamburg Ahoi.

Dies ist die letzte von drei Folgen in Kooperation mit Hamburg Ahoi, in der wir Euch die Bierstadt Hamburg aus ganz unterschiedlichen Perspektiven präsentieren. Ihr lernt die Bierorte und -persönlichkeiten dieser Stadt vom Fahrrad aus kennen, erfahrt, warum Hamburg historisch gesehen eine DER Bierstädte in Deutschland ist – und Ihr lernt einen erfolgreichen Gründer im Bierbusiness kennen: Jörg Iversen von Besserbrauer.

Jörg Iversen und Kathy Gabel haben vor sieben Jahren das Unternehmen Besserbrauer gegründet. Die Idee: Menschen zu ermöglichen, mithilfe einer Braubox und einer Brauanleitung in der eigenen Küche Bier zu brauen. Mit dem, was man da an Equipment herumstehen hat. Eine clevere Idee. Eine, die nicht nur auf Begeisterung stieß.


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Hinweis: Bei dem nachfolgenden Transkript handelt es sich um eine gekürzte Fassung unseres Gesprächs.

Also ich würde mir selbst, meinem jüngeren Ich, raten, dass es nicht so wichtig ist, was andere denken.

Jörg Iversen

Stefan Jörg, seid ihr quasi die Erben von Jean Pütz, denn ich glaube, mit euren Besserbrauer-Boxen habt ihr auch eine Menge für das Bierbrauen in Deutschland getan. Ähnlich wie Jean Pütz damals mit seiner Hobbythek 1982.

Jörg Oh, wenn er das hören würde, wäre er wahrscheinlich nicht begeistert. Wir haben ihn ja tatsächlich mal besucht. Unsere gemeinsame Freundin Sünje Nicolaysen und ich waren bei ihm vor Ort und ich glaube, er wäre nicht glücklich, wenn ich das so formulieren würde. Aber vielleicht stimmt es ein bisschen. Zumindest haben wir einen ähnlichen Erfolg, glaube ich, wenn nicht sogar noch ein bisschen größer. Früher hat er ja tatsächlich nur eine einzige Folge, in der es um das Bierbrauen ging, ausgestrahlt. Aber er hat uns zumindest erzählt, dass das mit seine Erfolgreichste war, glaube ich. Und naja, wir haben ein bisschen mehr Zeit gehabt, über sieben Jahre insgesamt, seitdem wir Besserbrauer gegründet haben. Und ich glaube, wir können uns da ein bisschen auf die Schulter klopfen.

Stefan Auf jeden Fall.

Regine Stimmt, Ihr habt Jean Pütz besucht. Das stelle ich mir sehr besonders vor, oder?

Jörg Ja, das fing schon damit an, dass wir gar nicht kommunizieren durften, nicht mal dem Taxifahrer, wer da eigentlich wohnt. Der gute Jean will absolut seine Ruhe haben, was ich auch nachvollziehen kann. Und dann hat er uns erst einmal einen schönen Blasen-Tee angeboten und dann ein bisschen mit uns gequatscht. Er ist ja mittlerweile auch nicht mehr der Jüngste. Aber er hat auf jeden Fall eine Menge zu erzählen. Also es war ein sehr spannender Besuch.

Regine Was ist denn dein erstes selbst gebrautes Bier gewesen?

Jörg Das war tatsächlich ein obergäriges, dunkles Bier, ein dunkles Bockbier, glaube ich. Es war auch gar nicht gewollt, dass wir das brauen. Wir wollten eigentlich ein Pils oder ähnliches brauen. Wir haben uns dafür auch die Zutaten bestellt. Uns fehlte da aber einfach die Erfahrung, um zu wissen, was wir da eigentlich genau bestellen sollen. Und letztendlich ist es dann aufgrund der Malzung, die wir nicht kannten, ein dunkles Bier geworden. Hat aber trotzdem geschmeckt.

Stefan Und wann war das?

Jörg Das war 2014 in Köln. Und eine Flasche davon hab ich sogar noch.

Regine Und wer ist wir?

Jörg Das sind ich natürlich Kathy, meine Freundin und Mitgründerin von Besserbrauer, und ich. Genau. Wir beiden haben damals losgelegt mit dem Heimbrauen und den Brauboxen.

Handwerken fiel dann irgendwann weg, haben wir gemerkt. Dafür haben wir einfach zwei linke Daumen und dann sind wir irgendwie aufs Bierbrauen gekommen.

Jörg Iversen

Regine War da schon die Idee, so ein Unternehmen zu gründen? Oder ist das unabhängig voneinander zu sehen?

Jörg Nee, die hatten wir überhaupt nicht. Also eigentlich ist es aus dem Hobby entstanden. Wir haben beide recht viel Zeit am Rechner verbracht. Ich damals als Designer in einer Medien-Agentur. Wir haben dann gesagt: Okay, wir müssen irgendwie mal was mit der Hand machen, wir kochen ja gerne und lass uns doch mal was Neues ausprobieren. Da haben wir so ein paar Dinge durchprobiert. Handwerken fiel dann irgendwann weg, haben wir gemerkt. Dafür haben wir irgendwie einfach zwei linke Daumen und dann sind wir irgendwie aufs Bierbrauen gekommen. Bisschen habe ich das aus den USA mitgebracht. Ich habe eine Weile in den USA gearbeitet und in Colorado gesehen, dass da viele so im 1-Gallon-Format Bier brauen. Das habe ich dann mit hierher genommen. Und dann haben wir hier angefangen Bier zu brauen, aber sehr großformatig und dann festgestellt, dass das für kleine Küchen überhaupt nicht funktioniert. Also niemand hat einen Einkochautomaten zu Hause. Keiner hat große Lagerfläche oder auch nur irgendwie eine Fläche, wo man eine große Flasche hätten hinstellen können oder so. Da haben wir gesagt: Okay, wir reduzieren das alles irgendwie auf die Kochtopf-Größe und brauen im Küchen-Format. Dann haben wir gedacht, das ist vielleicht auch etwas, worauf andere Leute Lust haben und haben dann quasi die Box erfunden.

Regine Und was war eure erste Biersorte oder hatte ihr gleich mehrere Sorten, die ihr auf dem Markt gebracht habt?

Jörg Wir haben mit drei Sorten angefangen. Also ein helles Bier, ein dunkles Bier, also Helles und Dunkles haben wir das auch genannt. Was auch immer so ein bisschen schwierig ist, wenn man so mit Leuten aus Süddeutschland kommuniziert, die das eher als bayerisches Helles oder bayerisches Dunkles als untergärige Biere verstehen, und ein Pale Ale. Unsere ersten drei Sorten.

Regine Und was lief von Anfang an am besten?

Jörg Na, die Leute, wenn sie sich das erste Mal ans Brauen herantrauen, wollen meistens gerne etwas brauen, was sie schon kennen, damit man eine Referenz hat. Das heißt, sie wollen eigentlich am liebsten ein Helles oder ein Pils brauen. Und dann ist es natürlich irgendwie das Helle das Naheliegendste. Das ist auch immer noch das Bier, das am meisten verkauft wird.

Stefan Ach, tatsächlich erstaunlich.

Jörg Also die typischen Craft Beer Sorten IPA, Pale Ale oder auch mal ein bisschen was Abgefahrenes holen so ein bisschen auf. Aber naja. man merkt, dass die Leute erst mal was wollen, was sie kennen.

Wir haben das tatsächlich mit 100 Boxen angefangen, die wir auf Nachbarschafts-Märkten verkauft haben. Dann haben wir quasi mit dem Geld, was wir da verdient haben, mehr produziert, denn ein bisschen mehr Geld verdient.

Jörg Iversen, Besserbrauer

Regine Waren da viele offene Türen, die ihr eingerannt habt, oder war das ein Unternehmen, das stockend an den Start gegangen ist?

Jörg Ja, Interesse war schon sehr viel da. Aber ja, wir haben ja nie irgendwie Investoren oder sowas an Bord gehabt oder irgendjemanden, der uns jetzt auf die Vertriebswege oder uns die Türen öffnet für riesige Vertriebsstrukturen. Sondern wir haben das tatsächlich mit 100 Boxen angefangen, die wir auf Nachbarschafts-Märkten verkauft haben. Dann haben wir quasi mit dem Geld, was wir da verdient haben, mehr produziert, denn ein bisschen mehr Geld verdient. Dann haben wir einen Onlineshop aufgemacht und dann hatten wir so ein paar nette Artikel zum Start, auf stern.de zum Beispiel. Da gab’s einen Bier-Blog damals. Die waren so nett, die Braubox zu testen und das hat uns so einen kleinen Anstoß gegeben am Anfang, und so sind wir quasi nach und nach gewachsen. Aber wir hatten eigentlich nie so ein Boost, wo es dann von einem Tag auf den anderen schlagartig alles viel größer und größer wurde. Das war aber auch gut. Wir sind quasi so nach und nach gewachsen, sodass wir es auch immer händeln konnten.

Stefan Und wenn du sagst, ihr habt vor sieben Jahren angefangen, da war die ganze Hobbybrauer-Geschichte in Deutschland ja auch noch nicht so, wie sie heute war. Also auch von den Mengen, die man bekommen konnte, von den Rohstoffen. Wie ist das, wenn man bei so einem Hefe-Hersteller nachfragt, ob er nicht irgendwie Tütchen machen kann, wo halt nicht zehn Gramm drin sind, sondern… Ihr macht ja vier Liter? Wie viel Gramm Hefe sind bei euch im Tütchen drin?

Jörg 3 Gramm.

Stefan Die waren bestimmt total begeistert, als Ihr nachgefragt habt, oder?

Jörg Ja, ja, also am Anfang war es gar nicht leicht. Klar, da hat einen niemand richtig ernst genommen. Niemand hat so richtig geglaubt, dass das noch weitergeht mit uns nach der ersten Bestellung. Also fast niemand muss man sagen. Jetzt muss ich tatsächlich vorsichtig sein, weil wir haben einige Unterstützer gehabt am Anfang, die uns dann auch logischerweise diese winzigen Malz- und Hopfen-Mengen abgepackt haben und auch Kartons. Wir wollten natürlich schön bedruckte Kartons mit Veredelung, das ist ja nicht so einfach, wenn man dann nur 100 Stück haben will. Ja, also da standen uns nicht unbedingt die Türen offen am Anfang. Aber das ist halt, wenn man gründet, die Herausforderungen, die man hat. Am Anfang ist klar, da trennt sich, glaube ich, so ein bisschen wortwörtlich die Spreu vom Weizen. Wenn man dann aufgibt, ist es natürlich vorbei, aber da muss man sich dann ein bisschen festbeißen. Und mittlerweile beschäftigen wir die Dienstleister und Produzenten, die wir immer noch haben, glaube ich ganz ordentlich.

Stefan Das ist doch super.

Regine Die mögen inzwischen die kleinen Tütchen…

Jörg Ja, tatsächlich haben die ganz lange noch selber abgefüllt für uns. Aber jetzt, seit ein oder zwei Jahren, reicht das offenbar von der Menge, dass er sagt: Okay, also ihr kriegt eure kleinen Tütchen. Jetzt müssen wir nicht mehr in die Brauanleitung schreiben, dass nur ein Drittel von der Tüte verwendet werden sollte.

Stefan Regine hat mir eine Braubox zu Weihnachten geschenkt. Ich muss überlegen, wann war denn das? 2016 oder 2017. Ein Pale Ale. Das habe ich dann auch artig gebraut und da waren wir auch ganz beeindruckt, dass das dann tatsächlich auch so ansatzweise wie ein Pale Ale schmeckte.

Jörg Ansatzweise?

Stefan Naja, dass man halt das Gefühl hat: Okay, wenn mir das jetzt jemand blind hinstellen würde, würde ich sagen, das ist ein Pale Ale. Und das ist ja schon mal super.

Jörg Für den ersten Versuch…

Stefan Genau. Für einen ersten Brauversuch klingt das ganz ordentlich und die Beschreibungen waren auch super. Dann haben wir nochmal ein Dunkles gebraut, das hast Du, Regine, mir noch geschenkt. In meiner ersten Begeisterung dachte ich: Wow. Jetzt kann ich einen Black IPA brauen und das Nachfüll-Pack kostet 16 Euro. Wenn ich aber so und so viel Black IPA kaufen würde, das wäre ja viel teurer. Den Dreh hatte ich dann nicht gekriegt. Aber dann hab ich noch das Dunkle gemacht und seitdem hab ich ja auch so ein bisschen hoch skaliert.

Jörg Du bist jetzt Großbrauer.

Stefan Genau, im Vergleich dazu schon. Also in der der 20 Liter-Klasse sozusagen mit einem Klarstein Mundschenk. Und arbeite ich mit einem Thermoport.

Jörg Wir haben ja auch einen 20 Liter-Brauset. Ich bin jetzt nicht beleidigt, dass du das nicht nutzt, aber das kam dann bei uns auch irgendwann. Der Prozess war dann oft so, dass die Kunden dann mehr brauen wollten und gesagt haben: Ja, also dann habt ihr aber nichts mehr. Und dann brauen wir mit einem anderen Produkt weiter. Und deswegen haben wir auch ein 20 Liter Brauset gemacht.

Stefan Laufen die denn auch gut?

Jörg Wir bewerben die nicht so intensiv wie die Box, weil wir uns auch ein bisschen schwergetan haben am Anfang damit. Also unser USP war ja immer, dass Du das, was die Profis machen, in der Küche brauen kannst, am eigenen Herd und mit den Küchengeräten zu Hause. Im Grunde ist das eine vertraute Umgebung und Du brauchst keine Angst zu haben. Und dann kam das 20 Liter-Brauset, damit funktioniert das alles nicht mehr so richtig. Also wir bewerben das quasi gar nicht, das ist dann einfach ein Anschluss-Produkt, das man im Shop findet.

Regine Klar, wenn die Leute auf den Geschmack kommen und einfach feststellen, dass es dann doch sehr, viel Arbeit, auch sehr viel putzen ist, ja dann möchte man vielleicht einfach mehr Output haben.

Jörg Na ja, absolut. Ich kann es total verstehen. Wir brauen, wenn wir brauen, eigentlich auch eher in größer Format als mit der Braubox, es lohnt sich einfach mehr. Aber als Einsteiger-Produkt ist die Box natürlich irgendwie relativ günstig und lässt sich auch gut verschenken.

Regine Du sagst ja gerade: Einsteiger Box. Hast du so ein bisschen den Blick dafür, wie viele Menschen euch lange treu bleiben? Oder ist es nicht so, dass der Kunde das kurz probiert; entweder er verfällt diesem Brauvirus ohne Vakzin und braut dann im größeren Stil oder er hört auf. Das heißt die Braubox selber ist dann ein Produkt, das jetzt nicht Jahre durch gekauft wird von den Leuten, oder es ist das anders?

Jörg Doch, doch, wir haben Stammkunden der ersten Stunde. Das sind sehr liebe Menschen, die wir teilweise persönlich über die Braubox kennengelernt haben, sie sind teilweise recht betreuungsintensiv. Wir haben gerade einen Braukurs zusammen mit Überquell gegeben, da waren einige leidenschaftliche Braubox-Brauer und Brauerinnen dabei, die extra wegen uns dorthin gekommen und absolute Experten sind und dann aber uns mit Fragen gebohrt haben, dass wir kaum noch Zeit für die anderen armen Menschen hatten. Wir haben sehr viele Kunden, die auch weiterhin mit der Braubox brauen, weil sie wenig Platz haben. Die experimentieren auch mit Kräutern und Gewürzen und anderen Zutaten, dass wir manchmal die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Aber irgendwie ist es sehr schön, weil sie entwickeln dadurch unser Produkt auch weiter. Das fühlt sich gut an.

Regine Wie reagierst du denn auf Menschen, die sagen: Besserbrauer? Das ist doch irgendwie wie Malen nach Zahlen, total unkreatives Brauen.

Jörg Och, das ist ja noch eine höfliche Formulierung. Also damals, als wir angefangen haben, war es nicht so schlimm wie bei Jean Pütz. Die Verfügbarkeit von verschiedenen Malzen und Hopfensorten war schon deutlich besser. Aber wir wurden schon recht kritisch beäugt, vor allem in den einschlägigen Hobbybrauer-Foren und werden es auch, glaube ich, immer noch. Mittlerweile hat sich das so ein bisschen gedreht, weil da viele User aktiv sind, die einfach mit der Braubox angefangen haben. Da ist eine kleine Armee von Anwälten herangewachsen, die sich für uns starkmachen, wenn über uns gelästert wird, was aber auch okay ist. Es ist ja im Grunde ein Produkt, was dir vorgibt, was du zu tun hast. Das ist ja auch gewollt. Also du sollst das Gefühl haben, dass du dich an eine Anleitung und an Zutaten lang hangeln kannst. Und zum Schluss kommt etwas raus, was schmeckt. Und dann hast du die Erfahrung gemacht und hast das Basiswissen, um dann selber weiterzumachen. Das verstehen einige auch nicht so ganz. Klar. Wenn man irgendwie seit 15 Jahren oder seit Jean Pütz, seit der Hobbythek-Folge unten im Keller sein Bier braut auf 50 oder 100 Liter-Geräten oder so, dann bietet die Box natürlich eine Angriffsfläche, schon allein durch die Größe oder auch durch den Preis.

Stefan Aber für die Leute ist das ja auch nicht da. Ich glaube, in den Foren kocht das dann ja immer eher so hoch, wenn ein Newbie schreibt: Ich habe hier gerade bei Aldi im Angebot die Box XY gesehen und das soll ein Helles sein. Aber muss das nicht untergärig sein? Und dann geht’s los.

Jörg Ja, das ist irgendwo berechtigt, aber wir sehen uns ja tatsächlich als Einsteiger-Produkt. Was auch oft gesagt wird, ist, warum habt ihr keine Bier-Spindel mit in der Box zur Stammwürze-Messung. Dann sagen wir: Ja, das ist für den Einstieg und gar nicht nötig. Wir geben einen ungefähren Alkoholgehalt an, der rauskommt und das muss dann für den Anfang erstmal reichen. Und beim 20 Liter Set ist dann auch eine Bierspindel dabei. Aber da gehen wir auch davon aus, dass die Leute schon ein bisschen weiter sind. Wir sind nicht da für die eingefleischten Hobby-Brauer, die das schon seit Jahren machen. Für die ist die Braubox nix. Also höchstens mal für experimentelle kleine Sude. Mittlerweile haben wir aber ein dickes Fell.

Stefan Was ich mich allerdings frage ist, warum ihr beim IPA und Black IPA kein Hopfenstopfen macht im Rezept.

Jörg Das Hopfenstopfen haben wir tatsächlich jetzt gerade in Angriff genommen. Also es hatte eigentlich zwei Gründe. Erstens brauchen wir ein bisschen Material für unser Buch, wo das ja ausgiebig behandelt wird und zweitens ist das mit der Gärflasche in unserem Braubox-Format nicht ganz so einfach, weil die halt einen relativ schmalen Hals hat. Man muss ja den Hopfen da irgendwie rein- und auch wieder herauskriegen. Im besten Fall, wenn du nicht willst, dass der komplett aufgequollen in der Flasche herumschwimmt. Deswegen haben wir das, um unsere Kunden auch nicht zu überfordern, erstmal ein bisschen gelassen und gesagt: Ja, so ein IPA kann man auch ohne Hopfenstopfen hinkriegen. Aber die Frage kam dann immer mal wieder. Und dann haben wir irgendwann gesagt: Okay, also wir machen jetzt einen Blogartikel und erklären, wie man es mit der Braubox machen kann. Und im Buch ist es dann ja nochmal ausführlich. Und tatsächlich bringen wir mit Überquell eine Kooperationssorte raus von dem Palim Palim Pale Ale von denen, wo dann auch gestopft wird. Naja, das ist natürlich bei denen bis zum Anschlag vollgestopft ist.

Regine Für die Nicht-Hamburger und nicht Hamburg Kenner: Das Überquell ist eine Hamburger Brauerei am Fischmarkt, mit denen ihr jetzt offensichtlich auch zusammenarbeitet. Wie empfindest du denn den Hamburger Biermarkt?

Jörg Wir sind ja jetzt nicht nur Hamburg, muss man sagen. Aber ich selber empfinde die Hamburger Bier-Szene als sehr innovativ und gut vernetzt, würde ich sagen. Und mit dem richtigen Maß an Understatement vielleicht. So wie das in Hamburg üblich ist. Was die Szene ganz sympathisch macht. Und auch von Berlin unterscheidet. Berlin ist natürlich irgendwie, wie in vielen anderen Branchen, auch immer Vorreiter. Die sind laut, die sind verrückt. Es ist vielleicht ein bisschen das, was so gefühlt in Hamburg fehlt, weil hier musste natürlich immer alles Hand und Fuß haben. Man darf auch nicht zu verrückt sein. Aber das ist ja eigentlich auch das, was Hamburg irgendwie besonders macht. Weil wenn hier was gestartet wird, dann passt das.

Regine Aber dieses Heimbrauer-Produkt kommt aus Hamburg und nicht aus Berlin.

Jörg Das stimmt. Weil wir nun mal in Hamburg wohnen. Aber wir sind auch stolz, dass wir einen gewissen Beitrag leisten konnten oder auch immer noch tun. Und auch die Kooperationen machen wir natürlich irgendwie hauptsächlich mit Hamburger Brauereien, Ratsherrn oder Überquell. Ja, auch einfach, weil wir den direkten Kontakt haben. Unser Büro ist ja mitten im Schanzenviertel. Also wir sind alle Nachbarn.

Regine Ich empfinde die Heimbrau-Szene auch als sehr, sehr, sehr agil. Wir bekommen ja jetzt auch einen Laden, bei Landgang um die Ecke. Der Braumarkt, der sich direkt an die Hobbybrauer wendet.

Jörg Ja, das stimmt. Ich war jetzt lange nicht mehr auf dem Hobbybrauer-Treffen, aber ich weiß auch gar nicht, die waren ja wahrscheinlich gar nicht.

Stefan Stimmt. Online gab’s die halt, dass das dann halt so stattgefunden hat. Zur Beer Week gab’s im Galopp des Jahres einen Hobbybrauer-Ausschank. Da hat man dann sehr viele Leute wieder getroffen. Das war natürlich super und war auch wie immer sehr nett und informativ.

Jörg Ich merk’ nur, dass irgendwie gefühlt gerade Craft Beer Bars oder -Läden aus dem Boden schießen. Hat vielleicht damit zu tun, dass entweder jetzt viel Platz ist oder die Leute Lust haben, wieder Gas zu geben. Braustättchen, Bierlager in Winterhude, die alle irgendwie gerade aufgemacht haben, wo ich noch hin muss. Also gibt viele spannende neue Läden in Hamburg.

Regine Ja, es tut sich was. Wie ist es denn bei euch? Corona hat natürlich viele von uns in die heimische Küche gebracht, dem Sauerteig näher gebracht oder auch dem Bier. Sind bei euch die Verkaufszahlen hochgegangen?

Jörg Doch schon. Also genau aus den Gründen. Also bisschen Glück haben wir auch gehabt, weil wir nun mal ein Produkt haben, was wir eigentlich fast oder hauptsächlich online verkaufen. Und klar, wenn die Geschäfte nicht auch offen haben und die Leute online bestellen, dann ist das gut für uns. Und dann genau zu Hause nach einer Beschäftigung gesucht haben und dann angefangen haben, Brot zu backen oder halt Bier zu brauen.

Regine Oder beides…

Jörg Oder beides, ja. Man kann das ja auch verbinden. Und man kann ja aus dem übrig gebliebenen Braumalz, dem Treber, wunderbar auch Brot backen. Entsprechend war 2020 eigentlich ein sehr gutes Jahr für uns. Wir haben eher profitiert von der Pandemie. Was wir nicht so laut kommunizieren, logischerweise, weil viele, auch von den bekannten Brauereien oder den Läden hier in Hamburg natürlich eher gelitten haben in der Zeit.

Regine Ja, harte Zeiten. Magst du trotzdem eine Zahl raushauen? Was für eine Steigerung da gewesen ist im Abverkauf von Boxen?

Jörg Ungefähr ein Drittel mehr haben wir verkauft als 2019. Und das ist aber auch jetzt vorbei.

Regine Wer weiß.

Jörg Also ich bzw. wir haben auch ein bisschen die Hoffnung, dass wir dadurch jetzt nochmal viele neue Leute begeistern konnten fürs Bierbrauen.

Stefan Es ist aber für euch, für deine Freundin und für dich, nach wie vor nicht das Hauptgeschäft mit den Besserbrauerboxen, oder?

Jörg Doch, für mich schon. Ich bin seit 2016 Vollzeit.

Stefan Ach ja, tatsächlich, super.

Jörg Und Kathy macht das Teilzeit. Das liegt einerseits daran, dass sie eine sehr enge Verbindung zu ihrem Arbeitgeber hat, bei dem sie seit 15 Jahren arbeitet und dann auch, was ich auch nachvollziehen kann und mir am Anfang ein bisschen schwer fiel zu verstehen, sie hat so ein bisschen die Sorge, dass wir uns den ganzen Tag sehen und dann quasi bei der Arbeit und abends nichts anderes mehr zu erzählen haben als das, was wir sowieso zusammen erlebt haben. Und so haben wir halt dann immer noch ein bisschen was, was wir unterschiedlich erlebt haben. Das ist ganz gut.

Regine Kinder und Bier wären dann eure Themen.

Jörg Kinder und Bier. Ja, eigentlich. Ja, das ist es eigentlich, worüber wir dann reden abends. Ganz nette Themen.

Stefan Sehr schön. Was ich ja ganz toll finde, ist, dass ihr auf eurer Website auch die ganzen Anleitungen so zum Download habt für Leute, die sich irgendwo inspirieren lassen wollen. Also ich fand es mit dem Cider zum Beispiel sehr inspirierend. Das hab ich einfach mal ausprobiert, weil man ja manchmal auch denkt: Okay, wenn man da grundsätzlich anfängt, mal so ein Gefühl für die Mengen zu kriegen und wie das so läuft, also das fand ich total super. Das ist eine schöne Geschichte.

Jörg Wenn Du jetzt darauf hinaus willst, dass wir damit quasi, ohne dass Du unser Produkt kaufen willst, die Anleitung relativ offen hergeben… Also wir wollen den Leuten natürlich auch jetzt nichts verkaufen, wo sie die Sorge haben, für den Preis irgendetwas zu bekommen, was sie gar nicht wollen. Und klar, Bierbrauen ist für viele Leute irgendwie noch ein abstraktes Thema oder Hexenwerk. Und deswegen nehmen wir denen auch dadurch einfach die Angst, dass sie sich vorher mit der Anleitung beschäftigen können. Damit haben wir auch kein Problem. Wir haben auch keine Angst, dass sie dann irgendjemand kopiert oder so, da sind wir relativ locker.

Stefan Es ist ja auch kein Geheimnis eigentlich so, ne. Da sind ja jetzt auch keine unglaublichen Tricks drin, die man geheim halten muss.

Jörg Eigentlich nicht. Nö. Aber klar, wir haben auch mal Konkurrenzprodukte, die aufploppen, wo wir dann in die Anleitung gucken und sagen: Das kommt uns bekannt vor. Aber das ist auch okay. Früher hätte ich da schlaflose Nächte gehabt. Aber mittlerweile sind wir so etabliert, dass wir da etwas gelassener geworden sind.

Die erste Anleitung, die wir geschrieben haben, enthielt logischerweise auch noch ein bisschen Spielraum für Interpretationen oder Fehler.

Jörg Iversen

Regine Ich finde das Thema Anleitung total spannend. Wie entwickelt ihr die? Probiert ihr es aus und schreibt es dabei auf?

Jörg Genau. Es ist ja ein Prozess, der sich auch weiterentwickelt. Also die erste Anleitung, die wir geschrieben haben, enthielt logischerweise auch noch ein bisschen Spielraum für Interpretationen oder Fehler. Wenn sich jemand das eine Braubox kauft und anfängt zu brauen und sich dafür Zeit genommen hat und ganz aufgeregt ist, und dann merkt, okay, da ist irgendwie was, was ich nicht verstehe. Dann wird dir die Person das mit großer Sicherheit auch mitteilen. In welchem Ton auch immer. Insofern hat sich die Brauanleitung jetzt über die sieben Jahre immer weiterentwickelt und jetzt ist es eigentlich nur noch hier und da mal ein bisschen Feinschliff.

Regine Also professionell gesagt, ihr habt das Feedback des Kunden einfließen lassen in eure Produktentwicklung.

Jörg Das Geschimpfe ist direkt dort hineingeflossen.

Regine Hast Du ein Beispiel, was da mal schiefgegangen ist?

Jörg Ein Beispiel. Also was ja tatsächlich auch oft passiert ist, dass, wenn wir nicht rechtzeitig antworten, die Frage direkt ins Hobbybrauer-Forum gepostet wird. Da gibt’s dann Leute, die natürlich immer mit den Augen rollen und sagen: Ohhh, schon wieder eine Braubox-Frage. So geht das. Und ja, wir haben mal eine Zeit lang gesagt, man sollte doch bitte in den Gärspund oben ein bisschen was von dem Reinigungsmittel reinmachen. Und das war ja unvorstellbar für einige, dass man da quasi, wo denn was ins Bier tropfen könnte und Wasser reicht. Und dann haben wir irgendwann uns entschlossen: Okay, Wasser reicht. Und dann war Ruhe. Aber es ist mittlerweile auch schwer, jetzt noch größere Veränderungen zu machen, weil man damit dann auch wieder Stammkunden irritiert und Verwirrung auslöst. Aber die Bauanleitungen funktionieren offenbar so gut, dass da jetzt nicht mehr viel kommt.

Stefan Ja, ihr seid da auf jeden Fall immer auch mit der Hygiene dann doch eher auf der etwas sichereren Seite. Wenn man das so anguckt,

Jörg Das habe ich auch festgestellt, als ich das Buch mit Sünje geschrieben habe, übers Heimbrauen. Dass sie dann immer gesagt hat: Unsere Experten, wo sie dann immer nochmal gegengecheckt hat, meinen, nee, nee, das muss ja gar nicht sein. Heißes Wasser reicht. Und ja, offenbar sind wir dann doch eher auf der vorsichtigeren Seite. Ist aber auch okay, glaub ich. Es passiert dann doch weniger als man denkt und das Bier verzeiht es auch einem, wenn man mal einen Handgriff daneben setzt. Also wir haben tatsächlich auch von allen Suden, die wir gemacht haben, mal zwei oder drei Mal irgendetwas drin gehabt, was da irgendwie für ein Fehl-Aroma gesorgt hat oder das Bier zum Überschäumen gebracht hat. Es ist nicht so dramatisch, wie immer getan wird.

Stefan Tatsächlich, das allererste Bier, was wir gebraut hat, das schneide ich hinterher auch raus, weil die Geschichte ist ein bisschen eklig…

Jörg Jetzt ein Schluck Kaffee.

Stefan Ja, die Geschichte ist so ein bisschen eklig letztendlich. Und zwar habe mit einem Kumpel zusammengebraut. Und dann, als wir es dann fertig hatten, haben wir es dann auch zu viert verkostet. Und das war tatsächlich auch so, dass es ein bisschen Cushing hatte und die Freundin von dem Kumpel machte dann auch das Bier auf und es fing an zu gushen und sie hat es dann, wie es sich gehört, direkt an den Mund gesetzt und es gushte aber weiter und es lief ihr aus der Nase heraus.

Jörg Die Story lässt du drin, oder? Wir hatten es tatsächlich auch einmal, dieses Gushing, das kommt doch hin und wieder mal vor. Obwohl das auch nicht unbedingt mit einer Infektion zusammenhängen muss.

Stefan Nee, nee, nee, nee. Es gibt ja verschiedenste Gründe dafür.

Jörg Genau. Wir hatten mal einen Fall, da erinnere ich mich noch gut dran. Da hatte jemand gebraut und wollte eine Flasche an alle seine Freunde verschenken, also an 12 Freunde. Und das war ein Batch, die offenbar übergeschäumt hat wie Sau. Ich weiß nicht, wie der das hingekriegt hat, aber es war Weihnachten. Und er hat dann erzählt, auch auf sehr lustige Weise, wie denn die Freunde im Nachhinein darüber berichtet haben, wie die denn über die Weihnachtstage dieses Bier aufgemacht haben und das rausschoss. Und die ganze Tischdecke und alles irgendwie besudelt war. Das dann in 12-facher Ausführung, also der war komplett blamiert. Aber er hat es mit Humor genommen.

Regine Humor hilft ja auch beim Brauen.

Jörg Auf jeden Fall. Ja klar. Also es soll ja auch Spaß bringen und es hilft auf jeden Fall auch, dass man nebenbei schon mal das eine oder andere Bier verkostet.

Stefan Gab es eigentlich einen Bier-Erweckungsmoment für Dich?

Jörg Das klingt ja jetzt, als hätte mich irgendwie die Muse geküsst.

Regine Wir mögen es pathetisch.

Stefan Wie du sozusagen vom Bier-Saulus zu Bier-Paulus geworden bist…

Jörg Also, als ich überhaupt erst mal festgestellt habe, was es für eine Bier-Vielfalt gibt, das war in den Staaten. Ich habe damals so um 2012 herum ein Jahr lang in Colorado gearbeitet und da gab’s halt die tollsten Biere aus irgendwelchen Craft Brauereien an den Rocky Mountains. Und da hab ich gedacht: Oh Gott, was ist das denn? Da gab es einen Wit Bier und ein IPA. Und das kannte ich gar nicht. Und ich wusste da auch noch gar nicht, dass es quasi eigene Stile sind, sondern dachte einfach: Mensch, da hat jemand ein interessantes Bier gebraut. Und dann habe ich das mit nach Deutschland genommen. Und dann fing auch die Ratsherrn Brauerei 2014 an, das Alte Mädchen aufzumachen und die Brauerei aufzubauen. Die haben dann ja auch ein Pale Ale gehabt und ein IPA. Da bin ich süchtig geworden.

Regine Wie oft braust du denn noch? Kommst du dazu noch? Oder hast du dazu überhaupt noch Lust dazu?

Jörg Ja, Zeit ist tatsächlich im Moment nicht so viel, weil logischerweise, wenn das Unternehmen größer wird, dann wird es auch mehr Verwaltungsarbeit. Oder man macht dann halt andere Sachen und kommt nicht mehr so viel dazu, quasi an vorderster Front zu brauen. Aber letztens hab ich tatsächlich, um das Brau-Event mit Überquell vorzubereiten, deren Pale Ale selbst gebraut. Und das hat echt Spaß gemacht. Und ich vermisse es auch ein bisschen. Aber ich bin jetzt Vater und die Küche ist dann oft besetzt. Es ist nicht so einfach, wenn da jemand um einen herumläuft und man da so mit kochenden Töpfen hantiert.

Regine Stichwort Infektion. Welchen Schritt magst Du denn besonders beim Brauen?

Jörg Also ich liebe diesen Geruch von Hopfen total. Das erinnert mich auch immer an unsere Anfangszeit, als wir dann festgestellt haben, was für tolle Hopfen-Sorten es gibt. Und deswegen dieser Moment, wo die Hopfen-Tüte aufgemacht wird und man dann so daran schnuppert… Das ist eigentlich so mein Lieblingsmoment beim Brauen. Ich war auch gerade bei der Hopfenernte in Tettnangen. Der ganze Ort riecht so toll nach Hopfen…

Regine Großartig. Das steht auf meiner Bucket List. Bier ist doch ein emotionales Thema, oder? Was meinst du, woher kommt das? Warum ist Bier da so besonders?

Jörg Also erstmal natürlich denke ich, weil es ein gesellschaftlich sehr akzeptiertes Getränk ist. Also ich glaube, kein alkoholisches Getränk hat ja so eine Verbreitung wie Bier. Also wenn man sich abends trifft, gibt’s ein Bier auf die Hand. Aber es weiß eigentlich kaum jemand, wie es wirklich hergestellt wird. Und deswegen ist es glaube ich emotional oder interessant, wenn man darüber spricht, wie es hergestellt wird, weil es halt irgendwie eine interessante Story ist und wenn man sich ein bisschen mit Hopfensorten auseinandersetzt oder ein bisschen mehr weiß über das Reinheitsgebot als andere, dann ist das immer ein guter Eisbrecher. Und natürlich hat Bier oder Bierbrauen auch eine unendlich lange Tradition und Historie. Also das ist ja auch eine Entwicklung. Es ist ja uralt. Und ja, klar, Deutschland sieht sich irgendwie ein bisschen als Bier Nation… Noch

Regine Du lachst…

Jörg Ja, weil wenn man so ein bisschen über die Landesgrenzen hinausguckt, dann muss man ja feststellen, dass oft ein bisschen mehr passiert ist in den Nachbarländern als hier in Deutschland. Hier gibt es halt die klassischen Pils- und Helles-Trinker. Das wird jetzt natürlich ein bisschen aufgebrochen durch die Craft-Bierstile, die ja auch Deutschland erreicht haben. Aber es ist so recht schwerfällig.

Regine Es ist, glaube ich, auch urbanes Thema. Diese Craft Beer-Bewegung…

Jörg Ja. Genau

Regine Ja, aber du hast recht. Die Geschichte, die du erzählst, also deine, ist ja eine typische. Ich war in den USA oder Kanada, sah die Vielfalt und dachte: Was ist denn das hier? Kam nach Deutschland zurück und machte etwas mit Bier.

Jörg Auf jeden Fall. Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass Bier hier irgendwie nie ein besonders teures Produkt war und für jeden zugänglich ist und die Länder, die sehr innovativ sind, was Biere oder die Craft Beer Szene angeht, sind häufig die, wo Bier sehr teuer ist. Also Skandinavien z.B., wo es die Luxussteuer auf Alkohol gibt und sich dadurch einfach aus der Not heraus eine große Heimbrauer oder kleine Brauerei-Szene entwickelt hat. Oder es sind Länder, wo das Bier in der Masse dann so mies war, dass eine Bewegung in Gang kam, wie in den Staaten. Und hier, ja hier dümpelte das dann eher noch lange ein bisschen vor sich hin.

Stefan Auf jeden Fall. Ich finde es halt immer absurd, wenn man zum Beispiel… Also ich war letzte Woche in einem Hotel, ein etwas gehobenes Hotel, wo ich dann aber wirklich für einen Krombacher 0,5 l irgendwie 6 Euro bezahlen sollte. Das finde ich dann wiederum schwierig.

Regine Aber es stand in diesem Kühlschrank, auf dem Craft Beer stand…

Stefan Nee, das stand da nicht drin. Das war ja gezapft. Aber die haben es anscheinend auch mal versucht mit dem Craft Bier und hatten den Kühlschrank noch da. Aber da war alles drin, bloß kein Craft Beer mehr. Also irgendwie die klassische Entwicklung natürlich, wir haben es mal versucht und gemerkt verkauft sich nicht…verkaufen wir lieber Krombacher für 6 Euro.

Jörg Aber das ist vielleicht auch ein bisschen die Schuld des Hotels gewesen, wenn sie es nicht ordentlich kommuniziert haben. Also ich glaube, wenn man tolle lokale Brauereien hat, die eine Geschichte zu erzählen haben und die gute, handwerkliche Biere anbieten, dann ist das, glaube ich, kein Problem, den Leuten das auch für ein paar Euro mehr anzubieten.

Regine Gehen wir mal weg aus Deutschland. Du bist da schon ein bisschen rumgekommen. Wenn ich als Bier-Reisende irgendwo hin möchte, wo es gutes Bier gibt, wo sollte ich deiner Meinung nach unbedingt mal hinreisen? An welchen Ort?

Jörg Also da kann ich dir Boulder in Colorado empfehlen, wo ich gewohnt habe. Das ist so eine kleine 100 000 Einwohner-Stadt an den Rocky Mountains. Ganz liberal, total offen und innovativ. Die Hälfte der Leute sind Studenten da und es gibt eine unglaublich gute Craft Bier- und Barszene. Ich will immer mal wieder, es hat sich jetzt lange Zeit irgendwie nicht ergeben, aber irgendwann will ich da mal wieder hin und mich durch die Brauereien trinken.

Regine Und vielleicht die ein oder andere Inspiration mitnehmen. Wenn wir so ein bisschen in die Glaskugel schauen, was hat besser Brauerbrauer noch vor? Ich finde es übrigens irre, dass dieser Titel noch frei war.

Jörg Dass die Domain noch frei war.

Regine Ja, da habt ihr echt Glück gehabt, muss man sagen.

Jörg Und tatsächlich haben wir sogar das Wort Braubox als Wortmarke geschützt bekommen. Was wir noch vorhaben. Ja. Also wir haben so ein kleines zweites Standbein aufgebaut. Also wir sind ja nicht nur leidenschaftliche Bierbrauer und Bierbrauerinnen, sondern wir machen eigentlich vieles selbst. Also wir backen auch selber Brot, wir fermentieren Gemüse, wir machen Käse selbst und bauen deswegen die Hochbeete auf dem Dach oben bei uns. Und deswegen hat sich ergeben, dass wir mittlerweile auch für andere Firmen Do it yourself-Sets produzieren für deren Eigenmarken und wir haben ja z.B. gerade für einen Kunden ein Schokoladen-Set entwickelt, wo man selber vegane Schokolade herstellen kann oder ein Fermentations-Set, mit dem man Kimchi oder Sauerkraut oder so selber herstellen kann. Und das macht total Spaß und das ist so ein bisschen, neben Besserbrauer, was wir natürlich auch immer weiterentwickeln, unser zweites Standbein.

Regine Nehmen wir mal an, du sitzt in einer Zeitkapsel und kannst zurückfliegen. Was würdest du denn deinem jüngeren Ich raten?

Jörg Ich würde mir raten, ein bisschen mutiger zu sein, glaube ich. Wir haben am Anfang viel zu viel Angst gehabt, glaube ich, dass irgendetwas schiefgehen kann. Obwohl, also wir sind ja auch nicht mit unserem gesamten Ersparten da hereingegangen, sondern wir haben tatsächlich erst einmal ganz im Kleinformat angefangen, die Brausets zusammenzustellen, zu verkaufen. Aber wir hatten immer panische Angst, irgendwas falsch zu machen und haben uns dadurch auch ein bisschen selbst gehemmt. Es war tatsächlich so, dass wir dann irgendwann mal beschlossen haben, nach Ewigkeiten auch mal ein Kredit bei der Bank aufzunehmen, um ein bisschen größer einzukaufen. Und den haben wir dann, als er da war, nie angerührt; in der Zeit haben wir dann schon so viele Boxen verkauft und so viel Geld verdient, dass wir ihn dann letztendlich gar nicht mehr gebraucht haben. Er lag dann halt da und hat uns Sicherheit gegeben, dass wir theoretisch Geld haben, wir davon ausgehen können. Und wir haben ihn nachher einfach wieder zurückgezahlt, mit Zinsen natürlich. Aber das hat uns so die nötige Sicherheit gegeben, um dann ein bisschen mehr Gas zu geben. Ja, und mittlerweile bin ich natürlich ein bisschen gelassener. Also ich würde mir selber, meinem jüngeren Ich, raten, dass es nicht so wichtig ist, was andere denken. Klar gab es am Anfang Kritik an unserem Produkt. Von eingefleischten Hobbybrauern, die das schon seit Ewigkeiten machen, das habe ich mir sehr zu Herzen genommen. Bis ich irgendwann verstanden habe, das ist gar nicht unsere Zielgruppe und man kann denen zuhören und man kann auch mit denen reden. Man muss nicht jedes Wort persönlich nehmen. Es spielt natürlich auch immer so ein bisschen die Angst vorm Scheitern mit. Man hat den Eltern und den Freunden erzählt, was man macht und alle beäugen das ein bisschen kritisch. Und wenn man dann irgendwann sich eingestehen muss, das läuft nicht und dann wieder einpacken muss, ist das auch vielleicht so ein bisschen eine deutsche Kultur. Also in den Staaten habe ich Freunde, die gründen ständig Unternehmen und stoßen die wieder ab und dann läuft mal was und dann auch nicht. Also hier gibt’s immer gleich sofort die Skepsis gegenüber Neuem.

Regine Ja, ganz, ganz viele Fragezeichen auf jeden Fall am Anfang. Das Empowern fehlt einfach.

Jörg Da wird häufig hier als ein bisschen nervig empfunden. Wenn jemand so sehr extrovertiert umgeht mit seinen Ideen.

Mein Inselbier? Das Prototyp von Kehrwieder, auch weil es mit das erste Craft Beer war, das ich hier getrunken habe in Hamburg.

Jörg Iversen

Regine Das wird dann als amerikanisch bezeichnet. Stefan: Ist es Zeit für die Insel-Frage?

Stefan Ich denke, es ist Zeit für die Insel-Frage. Wir haben am Ende immer die Desert Island-Frage: Es verschlägt dich auf eine einsame Insel und du darfst ein Bier mitnehmen, was da ständig vorhanden ist. Für immer. Gekühlt, frisch. Was wäre das dann wohl?

Jörg Oh, jetzt tue ich Oliver Wesseloh einen großen Gefallen. Ich glaube, das wäre das Prototyp. Das Prototyp von Kehrwieder, auch weil es mit das erste Craft Beer war, das ich hier getrunken habe in Hamburg. Ich weiß noch, als wir quasi gerade gegründet haben und auch ein Pale Ale rausgebracht haben. Da waren wir auf einer Veranstaltung von Oli. Der hatte so einen Pop up-Laden in der Schanze gemietet und da sein Prototyp ausgeschenkt. Und den haben wir dann getrunken. Und dann haben wir erst mal gedacht: Mist! Also da müssen wir wohl nochmal ran. Es ist einfach ein tolles Bier.


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Die Biersprechstunde – Eure Fragen als Sprachnachricht in HHopcast

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Termine

  • Meet The Expert, Braustättchen HH am Fischmarkt, mittwochs ab 18 Uhr, versch. Termine, mit Anmeldung
  • Eine Woche Franken mit Schlenkerla, Hummel und Mahrs, 11.-13.10.21, Beyond Beer (Online & Präsenz)
  • Craft Bier Bar HH: Croation Beer Week mit Bieren von the Garden Brewery, 5.-9.10.21
  • Bierbühne Hamburg, 15.10.21, Drink and Meet mit Thomas Tyrell, ab 20 Uhr, mit Anmeldung

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