HHopcast Podcast Hans, braucht Franken wirklich noch eine neue Brauerei?

Hans, braucht Franken wirklich noch eine neue Brauerei?

Hans, braucht Franken wirklich noch eine neue Brauerei? post thumbnail image

Christian Hans Müller ist CEO und Gründer von Hanscraft & Co in Aschaffenburg – ein moderner Klassiker innerhalb der deutschen Craft Beer-Szene. Sein Backbone Splitter galt lange als eines der besten India Pale Ales aus deutscher Produktion. In diesem Jahr wird die Brauerei zehn Jahre alt. Zum Geburtstag gibt’s eine eigene Brauerei. Endlich. 

Mit seinem Bayerisch Nizza erregte Christian Hans Müller 2013 bundesweit Aufmerksamkeit – weil dem Bayerischen Brauerbund die Bezeichnung des Pale Ales missfiel. Unter anderem würden amerikanische Hopfensorten zum Einsatz kommen. Ist das noch bayerisch? Es ist, entschied die Justiz, und Christian Hans Müller, der sich damals erst rund ein Jahr mit seinem Bierlabel selbstständig gemacht hatte, ging weiter seinen Weg. Hanscraft & Co. gehört heute zu den modernen Klassikern der deutschen Craft Beer-Szene und feiert 2022 seinen zehnten Geburtstag. Als Geschenk gibt’s eine eigene Brauerei am Standort Aschaffenburg. Die sollte bereits 2020 an den Start gehen, aber Corona ist nicht unbedingt ein Turbo für solche Pläne. Aber Hans bleibt dran, wie er immer dran geblieben. Die Entscheidung, das Geld mit Bierbrauen zu verdienen, war eine Überzeugungstat, denn eigentlich ist der ehemalige Hobbybrauer studierter Zahnarzt. Das Leben schlägt manchmal seltsame Kurven. “Wichtig ist, hinter dem zu stehen, was man tut”, sagt Hans. Was das genau bedeutet, warum er glaubt, dass Franken trotz hoher Brauereidichte noch eine neue Brauerei vertragen kann und was ihn davon abhielt, eine Kooperation mit einem großen Investor einzugehen, das erzählt er in diesem Podcast.


Hier geht’s zur aktuellen HHopcast-Folge mit Hanscraft & Co. und ins Archiv


“Es mag nicht wie der richtige Zeitpunkt aussehen, weil die Zeiten momentan nicht die rosigsten sind. Aber ich denke, dass wir jetzt trotzdem viele Möglichkeiten haben, solche Dinge vorzubereiten (…).”

Hinweis: Das Transkript ist eine leicht gekürzte Form des Interviews. Die ungekürzte Version erlebt Ihr in unserem Podcast. Den könnt Ihr hier hören – oder Ihr folgt uns auf den relevanten Podcastkanälen. Danke fürs Zuhören!

Regine Hans, du bist gerade von einer Baustelle gekommen und nach diesem Gespräch, hast du uns geschrieben, geht es wieder auf eine Baustelle. Von welchen Baustellen sprechen wir denn da?

Hans Ja, wir sprechen hier von unserem Neubau. Wir bauen ja seit einiger Zeit einen neuen Standort in Aschaffenburg auf und da sind momentan so viele Gewerke gleichzeitig, dass man schon selbst fast den Überblick verliert. Wir haben Maurer, Elektriker, Trockenbau, alles Mögliche hier am Start, und die nächste Baustelle danach ist tatsächlich ein Außer-Haus-Tasting, das wir seit langem mal wieder durchführen dürfen.

Regine Okay, eine neue Niederlassung, ist das die Brauerei, von der man zum Beispiel auf eurer Homepage lesen kann?

Hans Ja, genau, richtig.

Stefan Und eine neue Niederlassung heißt, ihr habt jetzt auch schon vorher eine Brauerei gehabt, oder habt ihr vorher noch irgendwo lohngebraut?

Hans Ja, wir sind ja traditionelle Lohnbrauer, wie man das in Branchen formuliert. Aber seit Jahren wird immer schon dieser Wunsch wach, dass man da mal was Eigenes auf die Beine stellt, von dem man sich anfangs ja gar nicht vorstellen kann, worauf man sich einlässt, aber es am Ende dann irgendwann immer mehr Formen annimmt. Dann kommen immer mal wieder so ein paar Situationen, die das Ganze dann wieder infrage stellen. Dann ist es irgendwann dann doch mal so weit, dass man so ein Projekt mal wieder in Angriff nimmt. Und bis dahin vergehen immer ganz viele Jahre.

Regine Corona hat dem Ganzen wahrscheinlich jetzt nicht den Turbo verpasst, oder?

Hans Im Gegenteil. Also das war tatsächlich so, dass wir letztes Jahr den Startschuss im März geben wollten für den Neubau. Und dann kam diese ominöse Pressekonferenz, die dann dafür gesorgt hat, dass alles mehr oder weniger wieder auf null gestellt wurde.

Regine Wie hast du denn die Hürden gewuppt? Ich stelle mir das total schwer vor. Man hat alles geplant und dann auf einmal bricht alles zusammen. Wie habt ihr das dann überhaupt wuppen können?

Hans Das ist ehrlich gesagt eine gute Frage. Ich würde mich als schlechten Unternehmer darstellen, wenn ich sage, ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Aber die Phase in den letzten schon fast zwei Jahren war so unwirklich. Wir waren plötzlich vor eine Situation gestellt, die so unwirklich war, dass man tatsächlich eine Zeit lang den Blick für das Alltägliche verloren hat und auch wirklich die Möglichkeiten, die man noch hatte, überhaupt irgendwas zu machen, ja auch überhaupt nicht in der Form wahrgenommen hat, wie sie sich geboten haben und oder wie sie sich dargestellt haben. Also es war ehrlich gesagt eine Zeit lang wirklich nur von einem Tag in den nächsten, um zu gucken, was passiert. Was gibt es Neues? Und es war ja dann auch von den Anordnungen her, die von der regierenden Seite kam, immer wieder neu. Man musste sich ja immer wieder neu darauf einstellen. Wir hatten ja in der Zeit auch noch, um unser Gesamtkonzept rundzumachen, in Gastronomie investiert, für die wir dann ganz viel Zeit hatten, die für den Start vorzubereiten. Wobei wir ja noch lange nicht durch sind. Das muss man ja auch so sehen.

Regine Hanscraft selber gibt’s ja schon eine ganze Weile, um die 2012 habt Ihr Euch gegründet, oder?

Hans 2013 waren so die ersten Aufmerksamkeiten, gegründet haben wir 2012. Tatsächlich werden dieses Jahr zehn Jahre alt.

“Wenn man mal so in der Szene guckt, dann, ja, altes Eisen ist noch das harmloseste, was man da zu hören kriegt”

Christian Hans Müller

Regine Zehnjähriges in diesem Jahr – und da wollt Ihr diese Brauerei an den Start bringen. Wann soll das denn losgehen? Und was baut Ihr da?

Hans Eine 20 Hekto-Anlage mit entsprechenden Tanks und Flaschen, Abfüllanlage und allem Möglichen, was so für den alltäglichen Bedarf vonnöten ist und einem bisschen Potenzial, um da noch reinwachsen zu können.

Regine Die Gastronomie, von der Du sprachst, ist das Maulaff, oder?

Hans Korrekt. Das ist eines der ältesten Wirtshäuser bei uns in der Altstadt in Aschaffenburg und das haben wir uns eigentlich vorletztes Jahr schon zu eigen gemacht von betreiben es seit letztem Jahr dann auch gastronomisch. Seit dem Ende des letzten Lockdowns. Das ist eben auch das Schöne, dass im Entstehungsprozess der neuen Brauerei hier auch eine, na sagen wir mal, eine Produktgruppe, also Biere entstehen, die tatsächlich aus dem Gasthaus kommen. Also mit diesem Traditionsgasthaus. Wir haben beschlossen, den Brauerei-Ausschank in der Altstadt zu haben. Und wir werden auch tatsächlich dann Biere, die es bisher nur im Ausschank dort gibt, tatsächlich auch versuchen auf den Markt zu bringen, die dann zwar ein bisschen klassischer, ein bisschen traditioneller anmuten mögen, aber dann können wir auch wieder ein bisschen nischiger werden, weil die Hanscraft-Linie parallel dazu einfach noch spezialisierter und noch zielgerichteter auf die Nische abgestimmt wird, aus der sie eigentlich auch stammt.

Stefan Vom Bier her, sagen wir mal, ist der Franke ja nicht unterversorgt. Wie kommt man denn auf die Idee, dass man da noch eine Brauerei aufmachen möchte? Also mehr Eulen nach Athen tragen geht ja gar nicht richtig.

Hans Richtig. Wenn man es wirklich auf ganz Franken betrachten möchte, ist es tatsächlich genauso, wie du sagst. Allerdings sind wir ja hier im Westflügel Frankens an unterfränkischen brauereitechnisch tatsächlich unterversorgt, was aber trotzdem wiederum schön ist. Wir haben nämlich hier eine Region, in der treffen tatsächlich drei Getränke oder drei alkoholhaltige Getränke-Kulturen aufeinander, nämlich das Bier, der Franken-Wein und auch der Äppelwoi. Auf der anderen Seite Frankens und von dort zu uns hin wird es immer dünner und bei uns ist es halt am dünnsten. Und deshalb habe ich die Berufung angenommen, da mitzumischen.

Regine Wer den letzten Podcast gehört hat, hat ja auch deinen Biererweckungsmoment gehört. Der hängt mit einer Reise zusammen, wie viele auch auf Reisen mit neuen Bieren oder eben vermeintlich neuen Bieren und Bierstilen in Kontakt gekommen sind. Was Sie aber nicht gehört haben, ist, dass du ja eigentlich aus einem ganz anderen Bereich kommst, und zwar aus der Zahnmedizin. Was ist da passiert?

Hans Wenn man es mal ganz kurz zusammenfassen möchte. In dem Bereich ist es halt unheimlich schwer bzw. ungleich schwerer, Menschen glücklich zu machen als mit Bier. Man kann natürlich schon den einen oder anderen glücklich machen, nämlich den, der wirklich mit Beschwerden, Probleme, sonstige Sachen kommt. Aber ich finde es immer schöner, Leute glücklich mit etwas zu machen, wofür man kein Problem lösen muss, sondern was sich halt einfach dann auch in diesem Gesellen-Bereich erstreckt. Und ja, ich habe eine interessante Zeit hinter mir gelassen. Es ist aber eine Zeit, mit der ich auch zu hundert Prozent abgeschlossen habe. Da gibt es natürlich auch kein Zurück mehr und es ist immer schön, da mal wieder daran erinnert zu werden. Aber es ist auch immer schön, wenn dabei auch sogleich das Gefühl aufkommt, dass alles richtig ist, alles gut so passt.

Stefan Wie alt warst du, als du den Switch gemacht hast?

Hans Ich habe. Ich habe tatsächlich lange parallel gelebt, ich komme ja auch ganz ursprünglich aus dem Hobbybraubereich-Bereich und hatte schon damals in ganz frühen Zeiten mit Freunden zusammen die ersten Versuche gemacht, war aber dann von meiner analytischen Herangehensweise der einzige, der nach dem ersten Versuch übrig geblieben ist, der herausfinden wollte, warum ist es dann schiefgegangen ist. Ich habe daraus eigentlich so meine Welt generiert, in die ich mich dann verabschieden konnte. Und ja, wie lange ist es her? Also ich bin ja auch nicht mehr der Jüngste. Wenn man mal so in der Szene guckt, dann, ja, altes Eisen ist noch das harmloseste, was man da zu hören kriegt. Das ist mittlerweile über 25 Jahre her, Wahnsinn.

Regine Hobbybrauen war damals weitaus anstrengender.

Hans Das war schon fast eine Straftat damals,

Stefan Oder gerade keine Straftat mehr.

Regine Da musste man schon sein Equipment zusammenbauen und erfinderisch sein.

Hans Teilweise ja. Meine Mutter hat mich gehasst dafür.

Regine Du hast gerade eben gesagt “Aufsehen erregt”, das ist ein gutes Stichwort, denn der Name Hanscraft, damals noch Biersommelier-Biere, ich habe es gerade nicht ganz im Gedächtnis, wie Dein damaliges Unternehmen hieß, ging dann ja relativ früh nach der Gründung durch die Presse, weil der Bayerische Brauerbund sich gesagt hat: “Das Bayerisch Nizza. Das geht so nicht.” Das ist eine Geschichte, die, glaube ich, heute noch an dieser Marke hängt, oder?

Hans Ja, lustigerweise ist es wirklich so. Ja, die haftet wirklich an. Ich glaube aber auch, ohne diese Geschichte wären auch viele positive Dinge nicht passiert. Mittlerweile sind wir auch ein stolzes Mitglied im bayerischen Brauerbund, es haben sich viele Wogen geglättet seitdem. Ich habe ja den bayerischen Brauerbund verflucht und verdammt. Aber man läuft sich ja in der kleinen Welt auch immer über die Wege. Es bleibt nicht aus. In dem Fall war es so, dass man gezwungenermaßen mal am gleichen Tisch sitzen musste, weil es um irgendwelche Themen ging, wo derjenige, der das organisiert hat, nicht das vollumfängliche Fingerspitzengefühl hat, was die Auswahl der Gesprächspartner anging. Und dann saß man dann gezwungenermaßen am Tisch. Und ja, es hat sich eigentlich daraus ergeben, dass die Begegnung danach, die dann eher zufälliger Natur war, doch schon ein bisschen freundlicher Vita war. Das wurde einfach besser. Aber am Ende vom Tag ist man, wenn ich irgendwann mal Resümee ziehe, was hoffentlich noch ein paar Jahre oder Jahrzehnte dauern wird, werde ich, glaube ich, dem bayerischen Brauerbund auch für diesen Moment dankbar sein, weil wir wissen alle, wie schwer das ist, von null auf irgendwie etwas zu beginnen, für das man Aufmerksamkeit benötigt. Und ich denke, den Gefallen hat mir der Brauerbund da wirklich getan, auch wenn das eine schmerzhafte Sache für den Moment war.

Stefan Fasse doch bitte noch mal kurz in einem Satz zusammen für die Leute, die nicht im Thema sind, was genau das Problem war.

Hans Das Problem war: Der bayerische Brauer Bund hat in dem Produkt Bayerisch Nizza eine Kollision mit der geografischen Herkunfts-Angabe bayerisches Bier gesehen. Geografische Herkunftsangaben, die in aller Regel Lebensmittel betreffen, definieren tatsächlich die exklusive Herkunft bestimmter Lebensmittel. Das gibt es zum Beispiel für bayerisches Bier, das gibt es für Parmaschinken, Parmesan, Käse. Das wird vom Deutschen Patent- und Markenamt registriert und verwaltet. Und man sah in der Thematik Bayerisch Nizza einen Verstoß dagegen, weil bayerisches Bier einem Zertifiziererprozess unterliegt, in dem eine Bierart wie Bayerisch Nizza nicht geregelt war. So, und das wurde eben auch gefordert. Man hat dann eben auch versucht, dieses Bier per se auszuschließen, dieses Bier nicht zertifiziert zu machen. Wir haben dann diesen Zertifiziererprozess durchlaufen müssen. Mir wurde dann unterstellt, dass da ausschließlich amerikanische Hopfen-Sorten drin sind, die nicht heimisch sind. Aber letztlich hat man sich dann über das verwendete Wasser geeinigt, was als heimischer Grund-Rohstoff aus Bayern stammt und auf die Produktion in Bayern. Das Schöne übrigens, und das werde ich mein Leben nicht vergessen ist: Als ich dann mit dem Institut in Verbindung gebracht wurde, was anhand dieser Vorgaben entscheidet, was darf bayerisches Bier sein und was nicht, stellte ich fest: Es sitzt in Baden-Württemberg und das fand ich natürlich schon sehr, sehr amüsant.

“Das Schlimmste für mich wäre, in einem größeren Konzern zu arbeiten, wo mir ein Controller aus einem Büro verbieten würde, gewisse Hopfen-Sorten einzusetzen, weil sie einfach das Preis-Schema sprengen.”

Christian Hans Müller

Regine Die Geschichte hat ein Happy End. Und wie du schon sagst, es war im Grunde ein PR-Coup für dich, muss man sagen. Damals hieß das Unternehmen ja auch noch anders und das Bayerisch Nizza hieß ja irgendwie auch noch Clubbier. Hat sich das jemals durchgesetzt in den Clubs?

Hans Nee. Ich muss auch sagen, das war zu der Zeit, da war ich in Partnerschaft mit einem Geschäftspartner, der den Teilbereich Vertrieb und so übernommen hatte, während ich mich mehr um das Produkt gekümmert habe. Es war dann vieles in diese Richtung ausgelegt, was dann nach der Trennung in einer recht frühen Phase auch neu erfunden und neu überdacht wurde. Dadurch ist auch diese Geschichte mehr oder weniger ad acta gelegt worden.

Stefan Welches Bier ist euer Flaggschiff? Das Bayerisch Nizza Wheat Pale Ale, wie es jetzt heißt, oder ist es eher das Backbone Splitter?

Hans Also ich glaube, die Bekanntheit haben wir eher über das Bayerische Nizza erlangt, aber Backbone Splitter ist im Absatz doch das stärkere Bier, also auch das nachgefragte Bier, zumindest unter den fortgeschrittenen Trinkern, sag ich mal.

Regine Ich las auf eurer Homepage: Es gab unter anderem auch eine Absage an einen großen Investor. Das macht natürlich neugierig.

Hans Unspektakulär eigentlich, ich fasse es mal grob zusammen. Also es wurden hinsichtlich dieser Thematik Parameter besprochen, die deutlich von meinen Grundwerten und Visionen abweichen und ich auch zu einem oder ab einem Punkt keine Bereitschaft mehr hatte. Ohne Namen zu nennen. So war das ganz klar.

Regine Was sind deine Grundwerte?

Hans Ehrlichkeit. Transparenz. Ja, ich finde auch, man sollte die Bedürfnisse, die an einen herangetragen werden, eher in den Vordergrund stellen. Ich verstehe, dass natürlich größere Organisationen eine Wirtschaftlichkeit anders definieren. Ich werde auf keinen Fall sagen, dass wir das nicht tun, aber weil es zwingend notwendig ist, auch wirtschaftlich zu denken und zu handeln. Aber ich sage mal, da gibt es ganz viele Abstufungen. An Rohstoffen zu sparen, um irgendwo Kompatibilität in einem gewissen Preissegment zu erreichen, ist zum Beispiel keine Stärke von mir. Es ist auch kein Wert oder keine Vision von mir. Insofern sind solche Dinge auch nicht machbar. Das Schlimmste für mich wäre, in einem größeren Konzern zu arbeiten, wo mir ein Controller aus einem Büro verbieten würde, gewisse Hopfen-Sorten einzusetzen, weil sie einfach das Preis-Schema sprengen. Ja, das ist auch ein Punkt, an dem das gescheitert ist, aber das ist zum Beispiel einer meiner Werte, dass ich gerade in meinem qualitativen Bereich keine Einschränkungen machen will und ich bin auch deswegen stolz darauf, dass wir das mit einigen Bieren, insbesondere auch mit dem Backbone Splitter, erreicht haben, dass wir da über ein paar Jahre in Folge Preise für bekommen haben, die auch wirklich Preisen sind, die nicht gekauft werden oder so.

Stefan Super! Du bist ja, wenn ich das richtig mitbekommen habe, relativ hands-on. War das stressfrei in den Brauereien, wo ihr gearbeitet habt? Wenn du das alles selber machen wolltest? Oder wolltest du überhaupt alles selber machen?

Hans Ja, total. Das war auch stressfrei – für alle anderen Beteiligten. Also ich war ja auch immer schon gut vernetzt. Man hat ja auch mit vielen Leuten, die ähnliche Projekte gestartet haben, zusammen gearbeitet, die jetzt einen anderen Hintergrund hatten als ich, die als frische Braumeister von der Uni kamen und dann da ihr Business gestartet haben. Die hatten halt auf deren Seite den Stress, dass sie plötzlich damit anfangen mussten, sich zu verwalten und nächtelang irgendwo gesessen haben, um irgendwelche Dinge zu organisieren und ganz überrascht darüber waren, dass sie nur ganz wenig in der Brauerei standen. Bei mir war es nämlich genau umgekehrt. Ich habe halt meine Zeit in die Brauerei verlagert, um halt einfach so viel wie möglich zu machen und habe die anderen Sachen schleifen lassen. Ich wollte ganz nah am Produkt sein.

Regine Hast du eigentlich noch eine Ausbildung hinterher geschoben, dann im Braubusiness?

Hans Keine, die mir bescheinigt ist.

Regine Man braucht den Titel nicht, du hast ja auch einen Braumeister in deinem Team. Und inzwischen hast du ja auch ein stattliches kleines Team an deiner Seite.

Hans Richtig, richtig.

Regine Ihr seid vier oder fünf Leute. Wie viel seid ihr?

Hans Wir sind sogar sechs Leute. Jetzt inzwischen.

Regine Du warst ganz nah dran an den Brauereien und hast Dir viel abgeguckt, kannst Du Dich an etwas erinnern, was mal total schiefgegangen ist?

Hans Total schief. Also da muss ich sagen, dass ich glücklicherweise viel verschont geblieben von. Äh, es gab durchaus Dinge, die habe ich lange nicht verstanden. So planerische Sachen, auch einfach sinnvoll an Dinge heranzugehen. Ich habe halt einfach Dinge nacheinander abgearbeitet, ohne einfach die Möglichkeit zu nutzen, Dinge zu überlappen, weil ich das vielleicht in der Tiefe nicht ausreichend verstanden habe und habe mir erst sehr spät ein Gespür oder ein Blick für, sagen wir mal, logistische Finessen schaffen können. Wir sind aber, toi toi toi, ganz gut durch geschlittert, ohne Qualitätsprobleme.

Stefan Super! Wo braut ihr denn eigentlich im Moment?

Hans Im Spessart, im Brauhaus Wiesen, das ist von hier knapp 30 Kilometer entfernt, ein schönes beschauliches Traditions-Brauhaus.

“Anfangs habe ich mir viel mehr einen Kopf gemacht über irgendwelche neuen Sachen. Jetzt mache ich das einfach.”

Christian Hans Müller

Regine Sehr gut, und wie viel braut ihr da?

Hans Ja, gerne wieder so viel wie vor dem Lockdown, aber wir arbeiten daran. Wir waren in unserer Hochphase an den 2000 Hektoliter dran.

Stefan Was denkst du, was dein heutiges Ich deinem Ich von vor 20 Jahren raten würde, was es anders machen sollte?

Hans Da würde wahrscheinlich sagen: Mach’s auf dem direkten Weg, und zwar richtig.

Stefan Also quasi den Zahnarzt auslassen.

Hans Ja, mache Weihenstephan und alles ist gut.

Regine Freust Du Dich auf die Zeit, wenn die Brauerei fertig ist, oder hast Du ein bisschen Schiss, wenn da auch eine eigene Brauerei steht?

Hans Ich bin so abgestumpft mittlerweile. Anfangs habe ich mir viel mehr einen Kopf gemacht über irgendwelche neuen Sachen. Jetzt mache ich das einfach. Also wenn man jongliert mit Summen und Beträgen in den Projekten, wo man normalerweise denkt “eieiei”, aber man stumpft einfach ab irgendwann. Das ist klingt irgendwie traurig, aber ja, ne, Angst ist auch ein schlechter Begleiter.

Regine Ich finde es total stark, dass du jetzt diesen Plan umsetzt mit der eigenen Brauerei. Der Craft Beer-Bereich ist ja bei weitem nicht dort, wie das vielleicht zu Beginn dieser kleinen Revolution in Deutschland vermutet wurde. Aber du baust jetzt trotzdem diese Brauerei. Das finde ich sehr stark. Das heißt für mich wiederum, du hast den Glauben an das Craft Bier nicht verloren.

Hans Nein, auf keinen Fall. Den habe ich auf keinen Fall verloren. Ich würde es auch jetzt gar nicht so weit herunterbrechen. Ich habe den Glauben ans Bier nicht verloren. Ich habe auch den Glauben an unsere Region nicht verloren, weil ich denke, eine Brauerei in unserer Region ist eine Sache, die vielleicht auch jetzt zur richtigen Zeit kommt. Es mag nicht wie der richtige Zeitpunkt aussehen, weil die Zeiten momentan nicht die rosigsten sind. Aber ich denke, dass wir jetzt trotzdem viele Möglichkeiten haben, solche Dinge vorzubereiten, weil irgendwann, und ich meine, das soll ja auch nicht nur eine Hoffnung bleiben, irgendwann wird auch wieder viel Normalität einkehren. Irgendwann, wenn wir uns an die Zeit, die wir jetzt durchleben, erinnern und nicht vergessen, aber sobald als erledigt betrachten, dann haben wir aber das, was wir dafür benötigen, um dann auch wieder diese Normalität ausleben zu können. Deswegen auch das Jetzt.

Stefan Ich würde dann tatsächlich auch zur Insel-Frage kommen, falls du unseren Podcast schon mal gehört hast. Wir haben ja immer am Ende die Frage nach dem Bier für die einsame Insel. Was wäre das denn bei dir?

Hans Das Bier für die einsame Insel? Das wäre von mir einen Karg Hefeweizen.


Wir brauchen Euren Support

Wenn Euch dieser Podcast gefällt, scheut Euch nicht, ihn zu abonnieren, Euren Freunden zu empfehlen und ihn auf den gängigen Podcaststationen zu bewerten. Das hilft unseren Gästen und uns, sichtbarer zu werden.
HHopcast ist ein leidenschaftsgetriebenes Projekt, wir freuen uns riesig über Euren Support!

HHopcast, den Bierpodcast aus Hamburg von Regine Marxen und Stefan Endrigkeit, findet Ihr auf:
SoundCloudSpotify, iTunesStitcherGoogle Podcasts Podcast.de.

HHopcast erscheint immer am letzten Freitag eines Monats.

Redaktion: Regine Marxen und Stefan Endrigkeit. Produktion & Postproduktion: Stefan Endrigkeit, Header: Hanscraft & Co.

Verkostetes Bier

Bademeister von Hanscraft & Co.

Terminhinweis

Senatsbock 2022
Die Digitale Senatsbock-Show 2022 findet am Freitag, 28. Januar 2022 um 20:15 Uhr auf den Senatsbock-Kanäle bei Facebook- und YouTube-Live statt. In diesem Jahr stellen neun Brauereien den Bock gemeinsam auf die Beine: BLOCKBRÄU Braugasthaus, Gröninger Privatbrauerei, Brauhaus Joh. Albrecht, Kehrwieder Kreativbrauerei, Landgang Brauerei, Ratsherrn Brauerei, ÜberQuell Brauwerkstätten, Wildwuchs Brauwerk und erstmals dabei – die ASTRA St. Pauli Brauerei

Über das Bier: Der Senatsbock ist ein dunkler Doppelbock. Das Grundrezept besteht u.a. aus fünf Braumalzen, die dem Hamburger Bier komplexe Aromen von Kakao bis Kaffeenoten verleihen. Die Brauereien interpretieren ihre Senatsböcke unterschiedlich, und zwar vom klassischen Bock bis zu einer an einen Milkshake erinnernden Variante. Insgesamt sechs spannende Senatsböcke sind hieraus entstanden, die im Sixpack erhältlich sind. Bis zum 31. Januar exklusiv über den Onlineshop für 24,99 Euro zzgl. Versand erhältlich, und ab 31. Januar auch im Handel erhältlich.


Die nächste HHopcast-Folge erscheint am 25.02.2022, wie immer am letzten Freitag im Monat. Wir hören uns!

Related Post