HHopcast Podcast Beer & Food Pairings im Ida– welches Gericht passt zu welchem Bier?

Beer & Food Pairings im Ida– welches Gericht passt zu welchem Bier?

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Im Braugasthaus Ida gibt es kreative Spitzenküche mit darauf abgestimmten Bieren, die frisch vor Ort im Keller gebraut werden. Ausgedacht haben sich dieses Gaumenabenteuer Torben und Clemens Wolpers. Ihren Plan haben sie nicht etwa in Hamburg oder Berlin umgesetzt, sondern in Pinneberg. Funktioniert das? Support: Florian Scheske von Lillebräu, Kiel.

In Pinneberg haben die Brüder Torben und Clemens Wolpers Ende 2019 ihre Brauerei nebst Restaurant eröffnet, im ehemaligen Bioladen ihrer Eltern. Ida heißt ihr Betrieb, benannt nach der Großmutter. Die stolze 102 Jahre alte Dame wohnt direkt nebenan. Die Mission der Gebrüder Wolpers steht voll im Zeichen des CRAFT Gedankens. Regionale Spitzenküche aus allerbesten Zutaten in Kombination mit feinen Bieren, die frisch vor Ort im Keller gebraut werden. Das ist ambitioniertes Beer& Food für Gaumenabenteurer. In Pinneberg. Pinneberg? Ja, genau. Pinneberg ist ein Städtchen bei Hamburg und – Pardon liebe Pinneberger – vielleicht nicht unbedingt der Ort, an dem man ein solches Konzept vermutet. Was also hat die beiden ermutigt, genau hier ihre Pläne umzusetzen? Wie gehen sie vor bei der Entwicklung ihrer Beer-Food-Menüs? Wie kommt diese Idee in Pinneberg an? Und wie haben die Gründer die Coronazeiten überstanden? Fragen über Fragen. Antworten gibt’s in diesem Podcast.

SUPPORT in dieser Folge: Florian Scheske von Lillebräu in Kiel.
In Folge 10, im Mai 2018, haben wir Flo und Max, die Gründer von Lillebräu, im Kieler Wissenschaftspark besucht. Damals steckten sie mittendrin in den Bauarbeiten ihrer neuen Brauerei. Fast vier Jahre und zwei Corona-Jahre später fragen wir nach: Wie geht’s Euch da in Kiel?

Flo Scheske. Lillebraeu
Foto: Lillebraeu

Hier geht’s zur aktuellen HHopcast-Folge mit den Ida-Machern Torben und Clemens Wolpers und ins Archiv.


“Wenn wir jetzt die Planung von damals ansehen, ist es immer wieder für einen Lacher gut.”

Hinweis: Das folgende Protokoll dieser Podcastfolge ist eine leicht gekürzte Form des Interviews. Die ungekürzte Version erlebt Ihr in unserem Podcast. Den könnt Ihr hier hören – oder Ihr folgt uns auf Spotify, Apple Podcast oder einem Kanal eurer Wahl. Danke fürs Zuhören!

Regine: Wir sind heute in Pinneberg. Ich war ewig nicht mehr in Pinneberg.

Clemens: Warum?

Regine: Wahrscheinlich weil ich noch nicht die Gelegenheit hatte, euch zu besuchen, weil es gab da so eine kleine Geschichte mit einem Virus und das hat das Kennenlernen doch etwas verzögert, denn ihr habt ja kurz vor Beginn der Corona-Krise eröffnet, nämlich Ende 2019. Und wir wissen alle, was dann passiert ist. Aber erst mal wollen wir einsteigen. Wir haben ja mehr als einen Gast. Wir haben nämlich zwei Gäste, zwei Brüder, die das Ida in Pinneberg eröffnet haben. Was ein Gasthaus ist mit einer eigenen kleinen Brauerei, mit einer schönen kleinen Geschichte dahinter. Und damit die Hörerinnen wissen Wer wer ist: kurze Vorstellung, bitte.

Torben: Ja, dann fange ich mal an. Ich bin Torben, bin der Ältere von den beiden Brüdern. Eigentlich war ich mal Lehrer.

Clemens: Ja, ich bin studierter Sinologe und nach dem Studium oder während des Studiums haben wir uns beide dazu entschlossen, so was in der Richtung aufzubauen, hat anders angefangen, aber…

Stefan: Das heißt auch, ihr macht das jetzt beide auch hauptberuflich, wenn du sagst, du warst mal Lehrer.

Torben: Ja, ja, ja, wir haben uns damals gesagt: jetzt oder nie. Studium war fertig und wir hatten diverse Optionen, was wir so machen können. Bei mir war das naheliegendste, in der Schule zu arbeiten, das habe ich dann doch nicht gemacht. Irgendwie waren wir auch schon mittendrin. Wir hatten schon eine ziemlich gute, semiprofessionellen Ausstattung zum Brauen und der Laden unserer Eltern wurde halt frei. Also da lief der Mietvertrag aus und dann haben wir damit mal angefangen und das ist dann schnell eskaliert.

Stefan: Und seid ihr so Brüder, wo es immer so gewesen ist, dass ihr Sachen zusammen gemacht habt?

Torben: Ja, ja. Doch viele.

Stefan: Wie viele Jahre seid ihr auseinander?

Clemens: Ein Jahr und elf Monate.

Torben und Clemens Wolpers, Ida Brauerei
Torben (li.) und Clemens Wolpers im Gespräch mit HHopcast. Foto: REM

Regine: Ihr habt ja schon erwähnt, das war vorher ein Laden, nämlich ein Bioladen.

Clemens: Genau. Der war auch ursprünglich von unseren Eltern betrieben. Dann, die letzten Jahre, wurde das von verschiedenen Pächtern übernommen. Als das dann ausgelaufen ist, also auch natürlich konkurrenzbedingt, es gab inzwischen Alternativen hier in der Gegend, hat sich halt für uns die Gelegenheit ergeben, den Laden zu übernehmen. Das Studium war schon fast zu Ende. Wir haben schon während des Studiums nebenher immer hobbygebraut auf unserem kleinen Braumeister. Genau das haben wir dann eben immer weiterentwickelt – bis hin zu diesem Restaurant.

Stefan: Wann war der Gedanke da: Wir machen jetzt eine Brauerei.

Torben: In welchem Jahr? Hmmm, also es müsste so vier bis fünf Jahre her sein. Anfangs war es aber anders geplant. Wenn wir jetzt die Planung von damals ansehen, ist es immer wieder für einen Lacher gut. Also da wurde noch extrem viel dran gearbeitet.

Regine: Warum ist das für einen Lacher gut?

Torben: Also wir haben jetzt beide im Nebenfach auch Wirtschaft studiert und dachten damals, na ja, das kriegen wir auf jeden Fall locker hin. Ein Businessplan jagte den nächsten und wir haben alles schön durchgearbeitet. Das ist halt irgendwie vom Volumen einfach explodiert. Irgendwann. Also ursprünglich haben wir ein paar 10.000 Euro, dann machen wir das richtig schön. Zwischendurch dachten wir auch mal kurz, wir machen irgendwie eine Brauerei mit 10 Hektoliter und das wird alles easy. Dann trifft das irgendwann auf die Realität in Form von Behörden. Man muss dazu sagen, es war ursprünglich als reine Brauerei geplant. Wir wollten eigentlich wirklich eine Brauerei haben. Vielleicht noch ein Tap Room oder Verkaufsraum dazu. Genau das ist eben durch städtische Vorgaben, was hier passieren darf oder eben nicht passieren darf, nicht möglich gewesen. Bis es sich nachher zum Restaurant mit angeschlossener Brauerei entwickelt hat.

Regine: Das heißt, ihr musstet euch innerhalb wie viel Zeit oder innerhalb welcher Zeitspanne anders entschließen?

Clemens: Geschäftlich drei Jahre ungefähr. Es war eine lange Schauergeschichte, ging damals hin und her mit der Stadt, mit den Genehmigungen und Anträgen, Nutzungs- und Änderungsanträgen. Was dann eben am Ende davon übrig geblieben ist, ist das, was wir hier gemacht haben.

Stefan: Und ihr seid beide dann demnach auch hier aufgewachsen, sozusagen in diesem Haus?

Clemens: Ja.

Die junge Ida, HHopcast Podcast-Folge 67
Die junge Ida hängt im Gastraum an der Wand. Gleich hinter der Wand wohnt die 102 Jahre alte Dame. Ihr Favorit unter den Bieren: die “Abendsonne”, aber auch das Pils sagt ihr zu. Foto: REM

Regine: Hinter dem Bild, auf dem die Namensgeberin Ida zu sehen ist – das ist eine sehr hübsche junge Frau… Denn die Namensgeber ist schon hier geboren, sie ist schon ein wenig älter, inzwischen nämlich 102.

Clemens: Dieses Jahr wird sie 103.

Regine: … und hinter diesem Bild wohnt sie, und eure Familie lebt auch noch hier in diesem Haus und ihr habt während des Lockdown noch einen kleinen Biergarten eröffnet und die Gäste sitzen quasi im Garten eurer Eltern.

Clemens: Genau

Regine: trägt die Familie gerne Bier?

Torben: Da ist keine reiche Tradition, von der wir jetzt berichten können. Aber grundsätzlich ja. Also es ging eigentlich immer eher so in die Richtung Genuss. Es gab verschiedene Dinge, sowohl beim Wein, Whisky, Bier. Irgendwie ging es bei uns auch immer um gutes Essen.

Regine: Wer kocht von euch beiden? Macht ihr das auch selber?

Torben: Ja, das erste Jahr oder sogar länger habe ich das mit unserem ersten Koch Sebastian zusammen gemacht. Jetzt habe ich leider einen Unfall gehabt im letzten Jahr, dann war das ein vorzeitiges Ende, aber jetzt bin ich quasi wieder so ein bisschen mit dabei.

Regine: Das heißt, die Küche schmeißt du mit, wenn sie denn auf hätte.

Torben: Also ich, ich würde mich selbst als ambitionierten Hobbykoch beschreiben, vielleicht sogar sehr ambitioniert. Aber unser Chefkoch Sebastian, der hat da noch einen ganz anderen Background.

“Man könnte sagen, es hat zu einem Missverständnis bei unseren Kunden geführt.”

Clemens Wolpers

Regine: Sebastian hat schon mal in Sterne-Etablissements gearbeitet, oder?

Clemens: Ja, ausschließlich.

Regine: Was treibt den nach Pinneberg? Entschuldigung, dass ich das jetzt so sage.

Torben: Das wage ich jetzt für ihn stellvertretend nicht zu beantworten.

Clemens: Vielleicht könnte man es so pauschal sagen: Er hat halt wirklich viele, viele Jahre in der Sterne-Gastronomie gearbeitet, in zwei- und drei-Sterne-Läden. Er hatte auch die Idee, sich selbstständig zu machen. Unter anderem hat er auch Lust, sich ein bisschen mehr selbst zu verwirklichen, was ja hier viel mehr für ihn möglich ist als woanders. Hm, ich denke, das war ein Antrieb dahinter.

Stefan: Ist das denn in Pinneberg möglich, in so einer Nummer in einem Bier-Gasthaus sich als Mann aus Sterne-Restaurants selbst zu verwirklichen?

Clemens: Man könnte sagen, es hat zu einem Missverständnis bei unseren Kunden geführt. Also wir hatten das schon angekündigt, was wir hier vorhaben, in welche Richtung es gehen soll. Feine Gastronomie mit feinem Bier dazu. Es kam natürlich auch von mancher Seite Kritik, was das in einem Gasthaus soll. Gibt es hier nicht die Haxe oder das Schnitzel? Wir machen mittlerweile ja auch Schnitzel-Wochen. Aber nein, es hat sich tatsächlich relativ schnell eine sehr schöne Stammkundschaft entwickelt, die das auch zu schätzen weiß und ich würde schätzen größtenteils eher aus der Weintrinker-Ecke kommt, die das auch spannend finden, tolles Essen mit tollem Bier zu kombinieren. Und das fanden wir sehr erfreulich und war auch eine schöne Bestätigung eigentlich dafür, dass das ein Konzept ist, das funktionieren kann.

Regine: Es ist eine Stammkundschaft, die aus Pinneberg kommt. Oder reisen die Leute auch an, aus dem Umkreis?

Clemens: Teils, teils. Ich würde sagen, größtenteils aus Pinneberg. Aber es sind auch regelmäßig Leute aus Hamburg hier. Wir hatten auch schon welche aus Süddeutschland hier, wahrscheinlich Geschäftsleute. Deswegen haben wir auch internationales Publikum.

Regine: Ich finde das ja sensationell, dass hier in Pinneberg so etwas entsteht. Die Idee ist toll. Aber ihr seid da ja echt in einer nicht geübten Nische, zumindest im Norden der Republik.

Torben: Da sehen wir auch immer noch unseren didaktischen Auftrag. Also das wird bestimmt auch noch ein bisschen dauern. Man hat schon öfter mal Leute, die dann lieber richtig guten Wein haben wollen. Das haben wir auch. Aber ich finde das dann immer schade, wenn die Leute gar nicht offen sind. Weil wir das Bier korrespondierend zur Karte anbieten, und die Karte wechseln wir alle sechs Wochen komplett. Wir machen uns schon sehr viele Gedanken, und wenn dann Leute kommen, die gar kein Bier trinken wollen, weil sie sagen, sie trinken eben kein Bier, das ist dann echt ein bisschen schade. Aber jeder wie er will.

Regine: Ihr habt ja einen Klassiker auf Eurer Bierkarte, den habe ich hier vor mir stehen. Das ist ein Pils, das ist das “Knick”. Erzählt mal kurz was darüber.

Clemens: Also da muss ich ein bisschen ausholen. Unsere Namensgeberin Ida bzw. ihre Mutter hat damals in Ostpreußen auf dem Feld immer für die Männer im Dorf Bier gebraut und das hat Ida uns irgendwann mal nebenher erzählt. Da waren wir schon am hobbybrauen und dann hatten wir natürlich auch den familiären Bezug und sind seitdem quasi auf der Suche nach dem Rezept. Das genau nachzuempfinden ist natürlich schwierig. Es wird definitiv ein bisschen anders gewesen sein, weil die Technik damals einfach eine ganz andere war. Das können wir heute so nicht mehr machen. Wir sind uns ziemlich sicher, dass das damals spontan vergoren waren und mit Hefe nichts zu tun hatte. Ja, also da sind wir extra noch rumgereist, haben in Polen Hopfen besorgt. Das “Knick” ist jetzt mittlerweile in der dritten oder vierten Variante, wir haben uns von der Idee so ein bisschen gelöst.

Regine: Es ist sehr erfrischend, hat nicht dieses Nordische zum Schluss. Diese ausgeprägte Bitterkeit. Hat vorne eine ganz leichte Zitrusnote.

Torben: Wir hatten davon auch eine Light-Variante, weil das halt auch ein paar Mal angefragt wurde.

Regine: Am Pils kommt man ja nicht vorbei im Norden, oder?

Clemens: Ein Pils und ein Dunkles, das muss sein.

Regine: Was serviert ihr zum Pils?

Torben: Das Bier hatten wir auch in unserer Winterkarte noch in der leichten Variante. Da haben wir es das erste Mal ausprobiert und haben das dann empfohlen zu einer Wildschwein-Kohlroulade Rot-Weiß, also einmal in Rotkohl und einmal in Weißkohl, und auch zu unserem Grünkohl.

Regine: So ein Pils kann ja durchaus mehr beim Essen als so mancher und so manche denkt.

Torben: Ich finde den ganzen Bierstil sowieso relativ unterschätzt. Also es wird ja häufig wahrgenommen als Alltagsbier.

Regine: Aber nun habt ihr ja nicht nur das Pils, das ihr, wie du unten beim Zwickeln gesagt hast, sowieso nicht mehr von dieser Karte nehmen könnt. Ihr habt ja noch ein paar mehr Biere. Stefan, Du hast zum Beispiel auch eines vor dir stehen.

Stefan: Ich habe wahrscheinlich das “Strong Bitter”. Das ist ziemlich karamellig. Wie stark ist es?

Torben: Ich könnte kurz nachgucken. Auf jeden Fall, aber ich denke, das hat so 5,5 Prozent.

Regine: Und du, Clemens, hast ein Dunkles vor dir.

Clemens: Genau. Wir haben immer ein Dunkles neben dem Knick auf der Karte in dem Fall. Meistens ist es die “Abendsonne”. Es ist ein Porter und heißt “Feen”, ein altes norddeutsches Wort für ein Moor.

Regine: Was zieht sich denn bei den Bierstilen durch? Richten sich die Biere nach der Karte oder umgekehrt?

Clemens: Sowohl als auch. Ich meine, die Saison steht über allem. Also je nachdem, welche Jahreszeit man gerade hat. Also wir machen ja jetzt nicht irgendwie Märzen mitten im tiefsten Winter. Es geht so ein bisschen nach Jahreszeit und wir sprechen uns ab. Ich stehe ja mit Sebastian auch jeden Tag in der Küche und dann überlegen wir, was wozu gut passen würde. Ich habe eigentlich immer ein komplett neues Bier dabei.

Stefan: Ja, genau. Und jetzt zum “Strong Ale”, was wird da empfohlen auf der Karte?

Clemens: Die neue Karte gibt es noch nicht. Unsere Köche sitzen wahrscheinlich jetzt gerade zusammen und arbeiten schon daran.

Regine: Was könntet ihr euch denn dazu vorstellen?

Torben: Also ich würde da tendenziell so was Puddingartiges, etwas Nachtischartiges sehen. Okay, also vielleicht mit Orangenkrokant und dann noch was Salziges dazu. Irgendwie sowas in dem Dreh.

Regine: Habt ihr schon mal etwas auf der Karte gehabt, was gar nicht ankam? Oder beim Testessen und -trinken durchfiel?

Clemens: Hmm, ich glaube, meistens haben wir die Speise dann mit einem anderen Bier kombiniert. Wir empfehlen zu den verschiedenen Gerichten auch manchmal zwei Biere, dann haben die Gäste die Wahl. Viele Gäste bestellen sich aber einfach von vornherein einfach das Bier, was ihnen am meisten zusagt. Und das trinken sie dann auch drei Gänge durch.

Stefan: Verdammt, die ganze Mühe umsonst.

Regine: Ihr sagt euch so: Wir machen hier eine richtig gute Fischsuppe und dazu gibt es das “Belgisch Blond” – aber es ist den Leuten egal?

Clemens: Manchmal, nicht allen. Viele fragen auch nach. Ich weiß, wir hatten einmal eine Karte gedruckt, da habe ich vergessen, die Bier-Empfehlung darauf zu schreiben, dann wurde direkt danach gefragt. Natürlich.

Regine: Lasst uns noch einmal kurz auf die Brauanlage eingehen, die da unten steht. Wir haben sie kurz angeschaut. Was könnt ihr denn überhaupt brauen bzw. wie viel könnt ihr denn brauen und wie viel hier oben anbieten an verschiedenen Bieren?

Clemens: Als wir das Ganze geplant haben, da hatten wir noch damit gerechnet, dass wir möglicherweise mal bis zu zehn Sorten am Hahn haben. Die technischen Voraussetzungen sind eigentlich auch da dafür. Also ihr seht ja, wir haben da hinten auch 10 Zapfhähne. Wir haben auch noch eine extra Kühlkette für Fässer. Und das würde natürlich voraussetzen, dass wir Bier noch in Fässer abfüllen würden. Aber dann kam halt Corona und wir haben ganz schnell gemerkt, dass das einfach zu viel ist. Also wenn das Restaurant nicht wirklich randvoll ist wie im Sommer, dann können wir das nicht umsetzen. Die Kosten für das Sauberhalten der Anlage und die Entwicklung der Biere, die dann eben auch getrunken werden müssen, und zwar schnell, weil es ja am Fass ist, sind zu hoch. Also wir haben uns eigentlich ganz gut eingespielt, dass wir immer vier Sorten direkt aus dem Tank haben, weil die halt auch wirklich lange halten. Und damit fahren wir auch ganz gut. Das Arbeitspensum, was wir hier quasi zu dritt und seit neuestem auch zu viert fahren, ist schon enorm und viel mehr würde auch echt nicht gehen. Da müssten wir halt erst mal noch Personal zusätzlich einstellen. Ich denke ja, wir können ungefähr 500 Liter brauen und das machen wir meistens auch an einem Stück durch.

Clemens: Genau, um das noch zu erklären: wir machen immer Doppel-Badges, also rund 250 Liter pro Vorgang, dann zwei Vorgänge an einem Tag.

Stefan: Die Abfüllung in Flaschen oder so ist auch nicht geplant?

Torben: Ja, wir sind eigentlich einfach ein bisschen zu klein. Ganz am Anfang hatten wir das ja vor, dass wir eine reine Abfüll-Brauerei im sehr kleinen Stil werden. Aber das hat sich ziemlich zerschlagen. Wir haben jetzt wirklich sehr kleine Anlage, also die kann theoretisch angeblich drei Hektoliter ausstoßen, das tut sie aber nicht. Also 250 Liter kommen da so raus und das reicht genau, um in einem Prozess 500 Liter zu produzieren. Das ist einfach zu klein für eine Abfüllanlage, die irgendwie produktiv arbeiten soll. Die Tanks sind dementsprechend auch zu klein.

“Ich weiß nicht, wie es anderen Gastronomen und Brauereien geht. Bestimmt auch nicht besonders toll in dieser Zeit, aber wir können immerhin sagen, dass wir es überstehen.”

Torben Wolpers

Stefan: Ihr sagtet vorhin, ihr braut quasi eine Woche durch, bis die Tanks voll sind. Wie oft macht ihr das?

Clemens: Ja, das ist auch Corona geschuldet, das war wirklich sehr abwechslungsreich in der Vergangenheit. Ich würde so im Schnitt schätzen, alle drei bis vier Monate.

Stefan: Das heißt, dabei kommen dann, wenn ich richtig gerechnet habe, 2000 Liter zusammen. Das heißt, ihr macht im Jahr bisher 8000 Liter.

Clemens: Das könnte ungefähr so hinkommen, aber wie gesagt, wir haben halt durch Corona unheimlich viel Bier wegschütten müssen. Das ist so schade. Wir haben eine ganz kleine Flaschen-Abfüllung, für 1L-Flaschen, die ist momentan leider defekt, aber viele Stammkunden nehmen sich noch eine Flasche Bier mit, entweder für denselben Abend oder für den nächsten Abend.

Regine: Ihr plant im April aufzumachen. Nach diesen Zeiten, die dank der Pandemie hinter uns liegen. Und vielleicht noch vor uns: Wo holt ihr eure Motivation her?

Clemens: Wir sind natürlich grundsätzlich noch sehr motiviert, den Laden hier weiter voranzubringen, einfach, weil das unser Baby ist, das wir mit einer Energie hier gegründet und auf den Weg gebracht haben. Aber man muss da nicht drum herumreden. Das ist natürlich unheimlich frustrierend auf Dauer. Wenn man einen Laden aufmacht und drei Monate später wieder schließen muss, dann das Geld, was man bis dahin verdient hat, wo es auch wirklich schön angelaufen ist, wieder ausgeben muss, um die geschlossenen Monate zu überbrücken und das immer wieder in der Schleife wiederholen zu müssen. Es ist sehr frustrierend auf Dauer, aber wir sind unbedingt gewillt, das noch auf einen guten Weg zu bringen. Es ist ja auch auf einem guten Weg. Ich weiß nicht, wie es anderen Gastronomen und Brauereien geht. Bestimmt auch nicht besonders toll in dieser Zeit, aber wir können immerhin sagen, dass wir es überstehen. Das ist super.

“Die Phase, bevor zugemacht wurde, die war immer die allerschlimmste, wo keiner richtig sagen mochte, was Sache ist.”

Torben Wolpers

Regine: Aber dieser ganze Drive, der bei einer Gründung dabei ist, der ist ja so verpufft, oder?

Torben: Nein, verpufft ist er eigentlich gar nicht. Aber ja, es ist einfach eine ganz blöde Realität. Genau das, was Clemens eben gerade schon sagte: Das lief wirklich sehr gut an! Wir waren eigentlich von Tag eins immer ausgebucht und das sind wir auch in den Zwischenzeiten immer gewesen. Der Laden wird spitzenmäßig angenommen. Aber ja, dann machen wir wieder zu. Die Phase, bevor zugemacht wurde, die war immer die allerschlimmste, wo keiner richtig sagen mochte, was Sache ist. Und unsere Landesregierung bekleckert sich da ja auch nicht gerade mit Ruhm, dass da irgendwelche Verordnungen teilweise Stunden, bevor sie in Kraft traten, endgültig beschlossen worden sind. Das ist für eine Brauerei natürlich katastrophal. Wir müssen theoretisch mit Szenario rechnen, in dem wir mit ordentlich Kundschaft rechnen, wenn wir nicht so planen, haben wir kein Bier und dann machen wir ja sowieso zu. Also rechnen wir natürlich damit, dass wir ordentlich Bier verkaufen können. Und wenn dann wieder irgendwas kommt… Also das ist jetzt völlig politisch wertfrei, was ich hier irgendwie vermitteln will. Aber wir hätten uns einfach mehr Konsequenz gewünscht und ein bisschen bessere Planbarkeit. Es ist schwierig.

Regine: Deshalb habt ihr euch wahrscheinlich auch entschlossen, nicht wie die meisten zum März wieder einzusteigen ins Geschäft, sondern erst im April.

Torben: Wir warten erst mal ab, was die Maßnahmen bringen. Es hilft nichts aufzumachen, wieder schließen zu müssen. Wir haben auch ein relativ altes Publikum, mitunter. Hier habe ich größtes Verständnis, wenn die dann nicht kommen wollen, wenn die Zahlen wieder durch die Decke gehen. All das macht es uns halt nicht leicht, das gut zu kalkulieren. Die Karte, das Essen, alles frisch, alles selbst gemacht, ausschließlich frische Zutaten. Unsere Köche sind sehr erfahren, aber das haben die auch noch nicht erlebt, wie sie hier versuchen müssen, zu planen. Für uns als Unternehmer vielleicht noch eine Anmerkung: Also theoretisch besteht ja die Möglichkeit, dass man eben anteilig Kurzarbeit beantragt, was für andere Unternehmen vielleicht funktionieren mag, aber für uns eigentlich nicht. Also überhaupt nicht. Der ganze Laden funktioniert nur, wenn alle vier Leute, also unser Kernteam, da sind. Ich kann da nicht einen nach Hause schicken. Und in dem Moment, wo wir auf sind, haben wir beträchtliche Kosten. Wenn dann keiner kommt, dann geht das halt ganz schnell bergab. Das ist für uns einfach super riskant.

“Wir versuchen, wo es geht, nachhaltig, regional, saisonal zu arbeiten. Diese ganzen schönen Schlagwörter versuchen wir wirklich ernsthaft umzusetzen.”

Clemens Wolpers

Stefan: Um das vielleicht noch klarzumachen: Es ist tatsächlich alles selbst gemacht, teilweise Bio, oder?

Clemens: Wir haben einen Gemüse-Lieferanten direkt aus Pinneberg, der auch alles in Bio macht, allerdings nicht zertifiziert, weil das eben zu teuer wird. Das ist so ein Backyard-Gemüsebauer, und die beliefern auch. Aber richtig, wir versuchen vieles, auch beim Fleisch. Ein sehr schwieriges Thema, denn Bio ist teuer. Aber wir versuchen, wo es geht, nachhaltig, regional, saisonal zu arbeiten. Diese ganzen schönen Schlagwörter versuchen wir wirklich ernsthaft umzusetzen. Aber all das macht es uns auch nicht leichter.

Regine: Bei den Bierpreisen sehe ich jetzt hier 0,2 l kosten 4 Euro, 0,3 l immer 5 Euro. Was sagt eure Kundschaft, gab es da am Anfang auch Irritation, dass sie sagen 4 Euro für 0,2 Liter Bier?

Clemens: Eher weniger. Das war dann eher die Fraktion, die auch hier die Haxe auf der Karte gesucht hat – und das ist auch in Ordnung. Wir müssen unser Publikum finden.

Regine: Jetzt, wo wir hier so sitzen. Die Zeiten liegen hinter euch, die wilden. Wenn ihr das alles geahnt hättet, wäret ihr diesen Schritt überhaupt jemals gegangen? Oder sitzt ihr hier manchmal abends, überlegt euch die neue Karte und denkt: Hey, was haben wir hier überhaupt gemacht, wir Gebrüder Wolpers?

Torben: Die Überlegung kommt vor, aber am Ende haben wir uns dafür entschieden. Wir haben uns ja während des Studiums und danach auch sehr viel Zeit genommen, darüber zu nachzudenken, was wir machen wollen. Und das ist ja hier die Quintessenz davon geworden. Also unglücklich sind wir nicht. Aber natürlich, die Überlegung kommt, dass man sagt: Was, wenn das ganze Geld, was wir hier reingesteckt hätten, woanders reingeflossen wäre?

Regine: Okay, worauf können sich eure Gäste freuen, wenn ihr wieder aufmacht?

Clemens: Ich glaube vor allen Dingen auf die Terrasse. Das hören wir immer wieder. Da sind viele Leute sehr scharf drauf, dort einen Platz zu ergattern. Insgesamt die ganze Sommersaison passt halt irgendwie doch sehr gut zu Biertrinken und tollem Essen.

Regine: Habt ihr ein zentrales Learning, das ihr Menschen, die sich mit dem Gedanken tragen, vielleicht so was aufzumachen wie ihr, sei es eine Brauerei oder sei es sogar dieses Kombi-Ding von Brauerei und Restaurant? Was würdet ihr ihnen mit auf den Weg geben?

Torben: Geduld und Flexibilität würde ich, glaube ich, zusammenfassen. Also man wird auf jeden Fall auf dem Weg enttäuscht hinsichtlich seiner Ideen. Dann kommt am Ende vielleicht noch was viel Besseres dabei raus, aber das ist auf jeden Fall mit viel Frust verbunden. Ja, und man muss auf jeden Fall von vornherein überlegen, wie viel Geld man maximal für dieses Unternehmen auftreiben kann.

Clemens: Und dann noch ein bisschen mehr.

Regine: Magst du eine Summe heraushauen, wie hoch war der Invest?

Clemens: Ja, ich würde sagen, alles in allem sind, sind es jetzt fast eine halbe Million Euro, bei sehr viel Eigenleistung.

Regine: Ich denke, es ist Zeit für die Insel-Fragen.

Stefan: Ich denke auch. Am Ende stellen wir immer die Frage nach dem Bier für die einsame Insel. Das Desert Island-Bier, sprich: Es verschlägt euch auf eine einsame Insel und ihr habt ein Bier da, das ihr bis an den Rest eurer Tage trinken mögt. Was wäre das jeweils bei euch?

Torben: Bei mir wäre es das “Knick”.

Stefan: Also eher die Drinkability-Abteilung.

Clemens: So ganz traditionell würde ich dann, glaube ich, ein Flens nehmen. Habe ich früher immer gerne getrunken. Das kriegt man ja auch ohne Flaschenöffner auf. Das ist praktisch.


Links

https://ida-brauerei.com/team/
https://lillebraeu.de/produkt/lille-glyph-no-1a/

Termintipp für Bierliebhaber und Heimbrauer

Brew Best Challenge, 25. März 2022

Brauende aus aller Welt brauen zeitgleich – in verschiedenen Zeitzonen – eine Maische nach bestimmten Vorgaben. Gebraut wird ein Altbier.
Ihr müsst Euch im Vorfeld registrieren. Zur Belohnung winken u.a. das Einbrauen der Bierkreation und die Teilnahme auf der drinktec 2022 in München (maximal 2 Personen, Anreise, 1 Übernachtung in München) und Gutscheine für den BESTMALZ-Webshop.

Mehr Infos: https://bestbrewchallenge.com/de/ueber-die-bbc/

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Der nächste HHopcast erscheint am 25.03.2022.

Redaktion: Regine Marxen und Stefan Endrigkeit. Produktion & Postproduktion: Stefan Endrigkeit, Header: Regine Marxen / HHopcas.

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