Lost Horizon Farm: “Das ist unser Lebensprojekt!”

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Ein verlassener Bauernhof, eine Familie und ein Ziel: In Frelsdorf nahe Bremervörde verwirklichen Nienke Oostra und Simon Siemsglüss ihren Traum von einer Farmhouse Brewery. Aber Träume haben ihren Preis.

Das Herz von Lost Horizon ist eine mächtige Eiche. Um die 180 Jahre ist sie alt, vielleicht auch 200. Über ihr wahres Alter schweigt sie, genauso wie über das, was um sie herum geschieht. In den 1920ern beobachtete sie den Bau des Bauernhauses hinter ihr, in den 1950ern sah sie es wachsen. Scheunen für Kühe und Schweine wurden angebaut. Dann irgendwann war Ruhe. Keine Menschen, keine Kühe oder Schweine tobten um sie herum. Über 20 Jahre lang standen die Gemäuer leer. Brombeersträucher überwucherten das Gelände, umsponnen die alten Apfelbäume neben ihr wie die Rosenhecke im Märchen Dornröschen. Der Bauernhof in Frelsdorf nahe Bremervörde fiel in einen langen Schlaf. Bis Filosoof Jenever-Gründerin Nienke Oostra und Simon Siemsglüss, Braumeister und Chef der Hamburger Brauerei Buddelship, ihn 2020 wachküssten – um genau hier ihre Farm Lost Horizon zu errichten.

Die Folge wird präsentiert von Hamburg Ahoi. Zusammen stellen wir euch spannende Facetten der Genuss- und Bierwelt in und um Hamburg vor.

Lost Horizon steht für Horizonte, die vergessen und wiedergefunden wurden. Der Name beschreibt die Idee von einem Leben mit der Natur. Genau das will das Hamburger Paar hier, zwischen Weser und Elbe, umsetzen. Sie träumen von einer Heimat für ihre zwei Kinder, von einer Farmhouse Brewery und einer traditionellen Brennerei. (Fast) alles, was sie zum Brauen und Brennen brauchen, soll auf und um ihren Hof herum wachsen. Kurz: Sie wollen eine landwirtschaftliche, nachhaltige Bierproduktion aufbauen. Die Brauerei und Brennerei wird gleich links neben dem Haupthaus im ehemaligen Kuhstall stehen. Schon jetzt kann man die stählernen Lagertanks durch den Spalt zwischen den hölzernen Scheunentoren sehen. Unweit davon lagern die Fässer, einige sind schon jetzt mit Bierspezialitäten gefüllt. Im ersten Stock über dem Fasslager steht das Kühlschiff. Noch ist es in seine Einzelteile zerlegt.

Weg zur Lost Horizon Farm in Frelsdorf bei Bremervörde
Lost Horizon Blick auf das Kühlschiff

Auf der Lost Horizon Farm, diesem Sehnsuchtsort mit Bullerbü-Flair, buntem Kinderspielzeug auf alten Kegs im wild-grünen Vorgarten und grenzenlosem Weitblick über Felder, wird derzeit weder gebraut noch gebrannt. Denn so einfach wie das Ganze klingt, ist es natürlich nicht.

“Dass wir das alles eigentlich relativ klein und mit unserem eigenen Bauernhof machen wollen, ist unser Traum. Vielleicht ist das auch ein bisschen crazy.”

Nienke Oostra

Als Nienke und Simon den zwei Hektar großen Hof übernahmen, gab es gerade mal einen Stromanschluss. Die eine oder den anderen hätte alleine das schon abgeschreckt. “Viel Platz für unsere Ideen”, sagt hingegen Simon. Sie kämpften gegen Brombeerranken, legten Anschlüsse für Wasser und Heizung. Sie renovierten, sanierten, pflanzten Obstbäume. Äpfel, Birnen, Mispeln, Quitten, Sauerkirschen, insgesamt 50 verschiedene Sorten. Außerdem Wacholder, Gagel, Rosenknospe, Himbeere, Kamille und Kalmus. Hinzu kommen Hopfen, Holunder, Schlehe und Weißdorn. Und Braugerste dazwischen Kohl und anderes Gemüse. Mit fast nichts zu starten bietet zwar Raum für Gestaltungsmöglichkeiten, ist aber auch wahnsinnig viel Arbeit, vor allem, wenn sich Baustelle über Baustelle stapelt – und am Ende die Bürokratie zuschlägt.

Lost Horizon Blick auf die Brauerei

Farmhouse Brewery: Gewerbe oder Landwirtschaft?

Ist eine landwirtschaftliche Bierproduktion ein Gewerbe oder Landwirtschaft? Wo ordnet man eine Farmhouse Brewery ein? In Deutschland sind Nienke und Simon mit ihrem Vorhaben Exoten, es gibt nicht viele, die diesen Weg gehen. “Wir haben die Möglichkeit, gewerblich im Außenbereich aktiv zu werden”, erklärt Simon. “Um das landwirtschaftlich zu machen, bräuchte man eine sogenannte Privilegierung, die wir allerdings nicht haben, weil der Hof dafür eigentlich ein bisschen zu klein ist. Außerdem muss man nachweisen, dass der landwirtschaftliche Betrieb tragfähig ist. Das ist natürlich ein bisschen schwierig, wenn man gerade neu gegründet hat und noch gar keine Produkte hat.” Glücklicherweise aber wäre eine gewerbliche Umnutzung möglich gewesen – was zur nächsten Hürde geführt hätte. “Wir müssen das Abwasser, das bei uns anfällt, entsprechend loszuwerden. Das ist im Prinzip der Knackpunkt an dieser ganzen Geschichte.”

Träume haben manchmal einen hohen Preis. Und der ist hier ziemlich real.

Das Fasslager auf Lost Horizon

Es hat Simon und Nienke ein wenig Überzeugungsarbeit gekostet, den Behörden den Ablauf in einer Brauerei zu erklären. Der Begriff Produktion, so Simon, rufe eben industrielle Ideen hervor, die eigentlich weit weg seien von dem, was wirklich passieren würde in einem Braubetrieb. Zusammen mit einem Planer hätten sie schließlich ein Konzept für eine Pflanzenkläranlage erstellt, das die Behörden überzeugt hätte. Das hat einen hohen Preis, 80.000 Euro standen zuerst im Raum. Mit dem, was der laufende Betrieb derzeit abwirft, lässt sich das finanziell nicht wuppen.

Hopfenanbau Lost Horizon

Deshalb haben die Beiden ein Crowdfunding auf der Plattform Indiegogo initiiert. 50.000 Euro wollen sie dort sammeln. Supporter können unter anderem Pate für einen der über 160 Obstbäume werden und sich Tickets für das Lost Horizon-Hoffest (Founders Day, 14. Oktober 2023) sichern, das noch in diesem Jahr stattfinden soll. “Wir wollen damit auch eine Community bilden und diese enger an das Projekt binden”, sagt Simon. Menschen, die ähnlich ticken würden, wie sie. “Denn mit Sicherheit werden auch in Zukunft neue Projekte und Herausforderungen auf uns zukommen, die wir gemeinsam besser gestalten können.”

Für Müdigkeit bleibt keine Zeit. Für Visionen schon.

Wenn alles klappt, soll die Brauanlage noch in diesem Jahr an den Start gehen. Dann entstehen in der Farmhouse Brewery nicht nur fassgelagerte, wild vergorene Bierspezialitäten wie Kriek, das Foeder Helles und Jenever mit eigenen, biologisch produzierten Botanicals und Früchten, sondern auch Buddelship-Biere, die in die Dose abgefüllt werden. Derzeit lässt Simon sie in Berlin brauen. “Eher anstrengend ist das”, sagt er. Gut, aber was ist auf Lost Horizon eigentlich nicht anstrengend? Wird man nicht irgendwann müde, dass sich immer neue Baustellen auftun? “Es gibt hier zu viel tun, als dass wir an den Punkt kommen könnten, müde zu werden”, sagt Simon. Und Nienke fügt hinzu: “Außerdem, wenn das alles klappt, dann wäre es das Größte überhaupt. Dann hätten wir hier unsere eigene kleine Brauerei und Brennerei und können alles hier vor Ort produzieren. Das ist hier ist unser Lebensprojekt.”

Info: Die Crowdfunding-Kampagne von Lost Horizon läuft noch bis zum 14. August 2023. Hier erfahrt Ihr mehr darüber.

Ihre Biere und Jenever könnt ihr Online oder, viel besser, in ihrer Bar in der Hamburger Neustadt trinken.
Bar Oorlam, Kohlhöfen 29, Hamburg

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HHopcast ist ein Original PODCAST von Sounds and Pods, Hamburg. Redaktion & Moderation: Regine Marxen und Stefan Endrigkeit, Produktion & Sounddesign: Stefan Endrigkeit, Text & Redaktion Blog: Regine Marxen
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