Willkommen bei unserem 1. HHopcast-Talk am Tresen! Wir haben uns mit Bierbuch-Autorin Sünje Nicolaysen und “Der Biersepp” Sepp Wejwar an der Theke im Buddelship-Pub Oorlam getroffen und gefragt: Wie kriegen wir das Craft Bier aus der Nische? Und wie fördern wir die Biervielfalt in Deutschland? Die Live-Aufzeichnung mit Publikum ist jetzt Online.Wir stehen auf gute Gespräche, auf gute Leute, auf gutes Bier. Und wir sind gerne draußen, an der Front, da, wo Bier gebraut, verkauft oder getrunken wird. Für unseren 1. HHopcast-Talk am Tresen haben wir all das zusammengebracht: Wir haben uns ein neugieriges, hopfenhungriges Publikum in die Bar Oorlam, Home of Buddelship-Bier, geladen und zwei wortgewandte, schlaue und bierkundige Experten zum Talk an den Tresen geholt.
Mit unseren Gästen Sünje Nicolaysen, Autorin des Buches “Der ultimative Bier-Guide”, und “Biersepp” Sepp Wejwar, Publizist, Gründer des Instituts für Bierkultur und der BeerKeeper-Ausbildung, sprachen wir über den Status Quo der deutschen Bierlandschaft, über Biervielfalt und die Frage, wie wir Craft Bier aus der Nische hinein in den Mainstream bringen. Buddelship-Braumeister Simon Siemsglüss sorgte nicht nur für konstanten Biergenuss in den Gläsern, sondern talkte einfach mit.
Ein großartiger Abend mit viel Input, Inspirationen und auch unangenehmen Wahrheiten: Auftakt zum 1. HHopcast Talk am Tresen!
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Basis unseres Talks war der aktuelle Bieratlas des Marktforschers Splendid Research. Es handelt sich hierbei um eine repräsentative Umfrage unter 1.031 Deutschen zu ihren Bier-Trinkgewohnheiten sowie Lieblingssorten.
Die Umfrageergebnisse in Auszügen:
Wenig überraschend: Der Markt gehört den Fernsehbieren. Trotz des Booms von Mikrobrauerei-Gründungen liegt der Marktanteil von Craft Bier in Deutschland bei ca einem Prozent. Eklatant ist die Schere zwischen Craft-Bier-Trinkern und dem Bier-Liebhaber.
Der durchschnittliche Craft-Bier-Genießer ist zwischen 18 und 29 Jahre alt, männlich mit überdurchschnittlichem Einkommen.
Statistisch am häufigsten Bier trinken verheiratete Väter zwischen 40 und 49 Jahren in Süddeutschland.
Rein theoretisch muss der Kreativbiersektor genau diese Zielgruppe für sich erobern, um zu wachsen. Geht das? Und wie kriegen wir das hin?
Sepp Wejwar vertritt in dieser Frage eine klare Meinung. “Den durchschnittlichen Biertrinker werden wir mit Bierspezialitäten nicht erreichen!” Keine Chance. Wer hier seinen Umsatz vergrößern will, müsse sich an andere Zielgruppen wenden, die offen für kulinarische Experimente sind. An Liebhaber der gehobenen Weinkultur beispielsweise. Doch auch dieser Weg ist kein Selbstgänger, so der Wiener Bier-Fachmann. Denn Bierspezialitäten hätten noch einen hohen Erklärungsbedarf. Ihre Geschichte, ihre Produktion, ihre Philiosophie müsse dem Verbraucher näher gebracht werden.
Das funktioniert nicht im Supermarkt, sondern braucht den persönlichen Kontakt zum Kunden, sei es im Store oder in der Gastro. Speziell dort muss das Personal geschult und auf diese Aufgabe vorbereitet sein. Die Begeisterung und Liebe zu Bier wird so auf den Konsumenten übertragen. Die BeerKeeper-Ausbildung hat genau dieses Ziel: Die Bierkultur zu pflegen und gekonnt zu kommunizieren.
INFO: Im Gegensatz zum Biersommelier ist der Begriff BeerKeeper nicht nur zertifiziert, sondern eine geschützte Bezeichnung. Es gibt drei Level: Green-, Gold- und Master-Level. Mehr Infos zu den Trainingseinheiten findet ihr hier.
Der Bereich der Bierspezialitäten ist und bleibt ein Segment mit spitzer Zielgruppe. Hohe Wachstumsraten, so Wejwar, sind in naher Zukunft kaum zu erwarten.
Autorin Sünje Nicolaysen steht dem Thema Craft-Beer-Wachstum weitaus positiver gegenüber. Sie glaubt, dass mit dem Genuss von handwerklichen Bieren und vor allem mit der Information über Bier die Neugier der Konsumenten steigt und so der Absatz von besonderen Bierstilen wie Sour Ales, Berliner Weiße oder IPA’s wächst. “Deshalb habe ich den Bier Guide geschrieben”, sagt die Hamburger Journalistin. “Um zu informieren, um Hürden und Schubladendenken abzubauen.” Auf undogmatische Art erklärt Sünje Nicolaysen in ihrem Debut, was Bier eigentlich ist. Sie gibt eine historische Einordnung, klärt über Produktion und Bierstile auf und schafft so einen Überblick über das liebste Getränk der Deutschen, der aufräumt mit Vorurteilen und Legenden.
Ihr Kniff: Sie bindet Grafiken ein, die überraschen und das Thema mit Augenzwinkern auf den Punkt bringen. Damit hofft sie, das Interesse für Bier zu wecken.
“Ganz ehrlich, ich trinke auch mal ein Fernsehbier. Im Stadion oder in der Kneipe, wenn es nichts anderes gibt. Das ist OK, weil es meinen Durst löscht. Aber es geht eben so viel mehr in Sachen Bier. Und ich glaube, je mehr wir informieren, was Bier eigentlich kann, umso neugieriger werden die Leute.”
Missionieren wolle sie keinen. Wer zu sehr belehrt, verschreckt die Zielgruppe. Es geht um Spaß, ums Entdecken, um das Öffnen von Türen.
Buddelship-Braumeister Simon Siemsglüss versucht genau diese Türen mit der Bar Oorlam zu öffnen. Zusammen mit seiner Freundin Nienke eröffnete er den Brew Pub zu Beginn des Jahres in der Hamburger Neustadt. Das Konzept geht hier noch ein wenig weiter, denn Nienke ist Destillateurin und kreiert unter dem Namen Filosoof unterschiedliche Jenever-Sorten. Craft Beer an sich ist mitunter schon erklärungsbedürftig. Es ist teurer, die Bierstile irritieren so manchen Biertrinker beim Erstkontakt. Aber das Pairing von Bier und Jenever ist in Norddeutschland weitestgehend ungeübt. “Das braucht Zeit”, sagt Simon. Denn hier gelte es, neben dem Bewusstsein für Bier eine gänzlich andere Trinkkultur zu entwickeln. Was das Oorlam da vorhat, ist ambitioniert und braucht fähige Leute hinterm Tresen, die wissen, wie sie die Buddelship-Filosoof-Story erzählen müssen, um zu begeistern. Ohne geht es nicht.
Buddelship-Biere selber haben in der Hamburger Craft-Beer-Szene einen extrem guten Ruf. Simons Biere stehen für Ausgewogenheit und Experimentierfreudigkeit.
Doch auch Simon weiß: Nur experimentieren bringt die Marke nicht weiter. Seine Standard-Biere, und dazu zählt auch sein Pils, vertreibt er über den Einzelhandel, die besonderen Biere, die nun einmal einen hohen Erklärungsbedarf haben, stehen im Store. Oder in seinem eigenen Pub.
Sepp Wejwar, der unter anderem auch Brauereien in Marketingfragen berät, hält das für eine gute Strategie. Besondere Biere haben im Supermarkt nicht viele Chancen. Wohl aber bekannte Bierstile wie das Helle oder das allseits beliebte Pils. Hier verweist er beispielsweise auf die neue Pilsener Strategie “New Era Pilsener” von Ratsherrn.
Man darf den ungeübten Verbraucher nicht verschrecken. Über diese Schiene kann vielleicht auch Craft Beer einen Marktzuwachs erreichen.
Doch es gibt viele Schrauben, an denen Brauer für den Erfolg drehen müssen. Nicht nur der Geschmack zählt, auch das Preisgefüge ist für den durchschnittlichen Biertrinker relevant. Craft Beer ist teurer als Industriebier. Aus gutem Grund. Hier gilt es, dem Verbraucher die Produktion transparent zu machen. Zudem dessen Bewusstsein für Bier als hochwertiges Nahrungsmittel nahezu verschüttet scheint.
Bierverbände, beispielsweise der Verein Deutsche Kreativbrauer, können hier Aufbauarbeit leisten. Doch es kann nicht nur die Aufgabe der kleinen Brauereien sein, Bierpflege zu betreiben. Auch die großen Player sind hier gefragt. Denn dass Deutschland seinen einst tadellosen Ruf als Produzent von guten Bieren in der Welt dort draußen wieder für sich verbuchen kann, das liegt nicht nur im Interesse der Craft Bier Szene. Durchgesetzt hat sich diese Erkenntnis noch nicht. Es scheint, als brauche es die Energie und Kreativität der kleinen Brauereien, um den Ehrgeiz der großen zu wecken.
Craft Beer ist kein Trend, der sich wieder verabschieden wird. Craft Beer ist gekommen, um zu bleiben. Doch damit das Spiel allen Playern wirklich Spaß macht, muss noch einiges passieren. Es ist ein langer Weg, und nicht alle kleinen Brauereien werden den Atem haben, diesen zu gehen. Das ist die unbequeme Wahrheit. Am Ende ist es der Verbraucher, wir alle, der entscheiden wird, wie steinig dieser Weg sein wird.
Text: Regine Marxen. Beitragsbild/ Fotos: Carola Buchner
Wir HHopcaster hoffen, dass unser Podcast und Live-Formate wie der HHopcast Talk am Tresen dazu beitragen, die Botschaft von der Freude an der Biervielfalt aus der Blase hinaus in den Mainstream zu tragen. Und wir danken unseren Gästen Sünje, Sepp und Simon für ihre Inspiration, ihre Meinung und fürs Dabeisein. Ohne euch wär’s nur langweiliges Gebrabbel 😉
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INFO: Hier findet ihr die Studie von SPLENDID RESEARCH GmbH
2 thoughts on “#14: LIVE! 1. HHopcast-Talk am Tresen mit Sünje Nicolaysen & Sepp Wejwar”