13 Jahre hat Esther Isaak de Schmidt-Bohländer ihr Bierland in der Seumestraße in Hamburg Wandsbek regiert. Sie verkaufte Craft Bier, lange bevor es den Begriff überhaupt gab. Ein Dankeschön an eine starke Frau mit großen Visionen und viel Liebe zu Bier.
von Regine Marxen
Den Begriff Craft Bier mag Esther überhaupt nicht. Zu wässrig, zu indifferent, zu dogmatisch. Für sie ging es immer darum, schlicht gutes Bier ohne Schubladen-Denke nach Hamburg zu holen. Das hat sie geschafft. Mission completed.
Das Bierland schließt.
“Eine Abschiedsparty wird es nicht geben”, sagt Esther Isaak de Schmidt-Bohländer. “Das halte ich nervlich nicht durch.” Kurzes Schweigen, Esther lächelt – und fügt hinzu: “Aber ob 90 Tage Abschied leichter sind, das weiß ich auch nicht.”
13 Jahre sind kein Pappenstiel, und Esther hat in dieser Zeit Wandsbek und Hamburg geprägt. Das Bierland ist nicht nur ein Fachgeschäft, in dem Hopfen-Fans satte 250 Sorten an Bieren entdecken und natürlich erwerben können, es hat sich auch zum kleinen Nachbarschaftstreff entwickelt. “Ich habe immer gemacht, worum Kunden mich baten”, erklärt Esther. Wenn Nachbarn sie fragten, ob sie nicht auch bei ihr Wasserkisten oder Cola kaufen könnten, setzte sie deren Wünsche kurzerhand um. Und sogar politisch war sie für ihr Viertel aktiv. Sie war Kandidatin für Die Partei für den Bezirk Wandsbek. “War nur ein Spaß”, sagt sie. “Aber die Resonanz war trotzdem erstaunlich.” Zur Wahl als Bundestagsabgeordnete hat es nicht gereicht, wohl aber für den Titel Bierkönigin.
Esther ist eine Frau, die Entscheidungen nicht scheut. Ihr Bierland erwarb sie, als sie und ihr Mann Thomas sich für einen kurzen Zeitraum trennten. Ohne finanzielle Sicherheiten, aber mit viel Energie und einem starken Glauben an die Idee, gutes Bier in die Hansestadt zu bringen.
“Wir glauben in Deutschland immer noch, wenn wir uns gut benehmen müssen, müssten wir Wein und Champagner trinken”, sagt sie. “Und das stört mich: Das größere und weitaus komplexere Erlebnis ist das Biertrinken!”
Das wollte sie mit ihrem Laden ändern. “Ich hatte zum Glück viele Brauerfreunde in Deutschland und in Dänemark, die mich unterstützten. 2007 kam dann der entscheidende Anruf eines dänischen Freundes. ‘Esther‘, sagte er, ‘Schreib mal auf: IPA. Dahinter steht der Begriff India Pale Ale. Das ist in Dänemark gerade der große Hit. Wenn Du da herankommst, hast du gewonnen. Dahin wird der Markt gehen.'” Sie recherchierte, was genau ein IPA ist und stieß schnell auf den Begriff Craft Bier. “Ich suchte dann im Internet gezielt nach diesen Bieren und entdeckte, dass dieser Begriff nur in Deutschland nicht geläufig war. Craft Biere waren bei uns eben zum Beispiel belgische, also handwerklich gebraute Biere. Und diese bestellte ich.”
Damit war die 53-Jährige Pionierin in Hamburg. Und so ist es auch kein Wunder, dass ihr Bierland zum Zentrum der seit 2014 aufkeimenden Hamburger Brauereiszene wurde. Wer Bier braute, besuchte Esther und verkaufte dort seine Hopfenprodukte. Sie erinnert sich noch gut an den ersten Besuch von Oliver Wesseloh, der mit seiner Kehrwieder Brauerei die Branche quasi zum Leben erweckte. Mit langen Haaren und einem Sierra Nevada-Shirt wäre er in den Laden gekommen und hätte ihr von seinem Vorhaben, eine Brauerei in Hamburg zu gründen, berichtet.
“Wir waren alle sehr aufgeregt. Ich weiß noch, wie er seinen Prototyp bei einem Fest vorstellte und ein Freund leise zu mir sagte: ‘Wir äußern Kritik wohlwollend. Wenn das Bier nicht schmeckt, sagen wir es Oliver nicht’!’
Esther lacht bei dem Gedanken. “Lügen mussten wir nicht. Der Prototyp war der Hammer.” Und er verkaufte sich auch hammermäßig. In den ersten Jahren.
Inzwischen steht der Prototyp auch im Regal gut sortierter Supermärkte. Zu einem günstigeren Preis, klar. Die Leute, sagt Esther, wollen gerne viel gutes Bier trinken, und schauen auf die Kosten. Das versteht sie. Sich als Reaktion auf die wachsende Konkurrenz durch große Lebensmittelhändler auf spezielle Nischenbiere zu konzentrieren, ist für Esther keine Lösung. “Deutschland ist ein Geiz-ist-geil-Land. Je teurer ein Bier ist, desto schwieriger ist sein Absatz.”
Es ist die Zeit gekommen, eine neue Entscheidung zu fällen. Die Bierkönigin schließt ihr Bierland. “Derzeit bleiben mir an Gewinn im Jahr rund 6000 Euro. Das reicht mir nicht”, sagt sie. Und fügt hinzu. “Und auch wenn das Bierland sich noch trägt: Ich möchte einfach nicht zur alten Nörglerin werden.” Für sie ist jetzt der richtige Zeitpunkt, einen Neuanfang zu beginnen.
“Ich bin 53 Jahre alt, meine zweite Lebenshälfte beginnt jetzt”, sagt sie. “Ich bin sehr, sehr traurig, diesen Ort zu verlassen, aber ich habe die letzten Jahre in diesem Laden ein wenig wie in einem Käfig gelebt. Und ich freue mich, diesen jetzt zu verlassen und meine Schritte außerhalb zu machen.”
Esther und ihr Mann Thomas schließen nicht nur ihr Geschäft; sie werden Hamburg verlassen. Den Sommer werden sie auf ihrem Resthof in Mecklenburg Vorpommern genießen. Und dabei immer wieder auf die ausgebreitete Landkarte vor ihnen schauen, um zu ergründen, wo sie die nächsten Jahre leben möchten. Denn derzeit weiß Esther Isaak de Schmidt Bohländer noch nicht, wo ihre neue Heimat sein wird. Aber sie spürt, es ist die richtige Entscheidung. “Meine Visionen für das Bier sind erschöpft. Mission completed.”
Doch einen Rat hat die Bierkönigin noch für uns alle: “Kauft in Bier-Geschäften wie zum Beispiel Beyond Beer. Wenn ihr diese nicht unterstützt, werden sie es nicht schaffen!”
Den HHopcast-Podcast mit Bierland-Gründerin Esther Isaak de Schmidt-Bohländer könnt ihr unter iTunes oder SoundCloud lauschen.
Tipp: Das Prototyp feiert am Donnerstag, 12. April, ab 17 Uhr seinen 5. Geburtstag im Hamburger Silbersack. Mehr Infos gibt es hier.
Ich vermisse das Bierland! Aber alles Gute für die nächsten Schritte!