Jef Versele leitet die Brouwerij Van Steenberge in sechster Generation. Jetzt erfindet er sich ein Stück weit neu – und setzt in seiner Mikrobrauerei, Brasserie & Gästehaus Hopspot das Bier in Szene.
Angefangen hat alles auf einem Bauernhof im belgischen Ostflandern. 1784 wurde die Brouwerij Van Steenberge in Evergem bei Gent gegründet, heute produziert die Brauerei nach eigenen Angaben 180.000 hl im Jahr, 85 Prozent der Biere gehen in den Export. Ganz oben auf der Liste: Italien. Dort liebt man starke, intensive Biere. Biere, wie sie Van Steenberge braut. Eines ihrer bekanntesten Produkte ist das Belgian Strong Ale Gulden Draak mit 10,5 % Vol. Unter der Leitung von Jef Versele hat sich der Ausstoß der mittelständischen Brauerei versechsfacht.
4000 hl / Jahr Ausstoß kann die Braukon-Anlage in der mikrobrauerei Hopspot leisten. 2023 ging sie an den Start, die Brasserie und das Hotel folgten Anfang 2024 Foto: Hopspot/Van Steenberge
“95% are high fermented beers who are refermented. So we export today to about 74 countries.”
Jef Versele
Ein Grund für den Erfolg ist laut Jef der Fokus auf Spezialitätenbiere. Sein Großvater stellte in den 1960er/70er Jahren den Brauprozess von untergärig auf High Fermentation (Heißgärung) und Second Fermentation (Flaschengärung) um. Auch sein Enkel blieb dieser Linie treu.
Die Brauerei im Dunkeln. Foto: Van Steenberge / Hopspot
“People always said, we always been going against the trends. (…) I don’t need to make beer that everybody is making.”
Jef Versele
Warum will Jef Versele crafty werden?
So könnte es weiter gehen, wären da nicht die aktuellen nationalen und internationalen Entwicklungen auf dem Biermarkt. Die belgischen Brauereien hätten laut VRT News im vergangenen Jahr 22 % weniger Bier ins Ausland exportiert. Auch in Belgien selbst geht der Absatz zurück. Grund dafür seien die steigenden Bierpreise in der Gastronomie und die hohen Energie- und Lohnkosten, so die. Grund dafür: die steigenden Bierpreise in der Gastronomie und die hohen Energie- und Lohnkosten, so die Bundesagentur für Außenhandel in Brüssel. Das treibt besonders die Preise für Spezialbiere in Cafés und Kneipen in die Höhe. Inzwischen liegen sie bei 5 bis 6 Euro. “Wir sind zu groß, um klein zu sein, und zu klein, um groß zu sein”, sagt Jef Versele. Das macht den Wettbewerb nicht einfacher. Hinzu kommt, dass alkoholfreie und leichte Biere immer beliebter werden. Das passt nicht so recht ins Konzept von Van Steenberge. Und jetzt?
Der beste Freund seines Großvaters gab diesem einst folgenden Rat mit auf den Weg:
“If you want to survive as a small brewery, you have to reinvent yourself.”
Zeit, sich neu zu erfinden.
Hopspot erzählt Biergeschichte(n)
Der Barbereich im Hopspot (Brasserie). Die von der Decke hängende Zapfanlage gibt es nur zwei Mal in Belgien, sagt Jef. Hier und in Brüssel. Bild: Van Steenberge/Hopspot
Genau hier kommt der Craftbeer-Trend der vergangenen Jahre ins Spiel. Jef beobachtet ihn mit Interesse. Das Storytelling, die Idee, Bier auch als regionales Produkt erlebbar zu machen. Ihm wird klar, dass Van Steenberges Geschichte anders erzählt werden muss und kann.
“We are considered as a commercial brewery on Belgium level. And I was missing out on a few craft beer scenes”, sagt Jef. “They would say like: Jef, you are not crafty enough. Your beer is too common, your beer is everywhere.”
Genau deshalb hat er Hopspot eröffnet.
Die Mikrobrauerei, Brasserie und Gästezimmer sind weniger als 1 Kilometer von der Brouwerij Van Steenberge in Evergem entfernt. Jeden Tag fuhr Jef auf dem Weg ins Büro an dem Grundstück vorbeigefahren, bis er 2022 schließlich zuschlug. Ursprünglich stand hier ein kleiner Bauernhof, der seine besten tage hinter sich hatte. Er setzte sich mit dem Bürgermeister in Verbindung und bat um die Erlaubnis, das Grundstück kaufen zu dürfen, um dort eine Mikrobrauerei mit einer Kapazität von 4.000 Hektolitern zu errichten. Um der Gemeinde etwas zurückzugeben und den Gästen zu zeigen, wie Bier entsteht. Er will die Magie dahinter erlebbar machen und gleichzeitig seine eigene Familiengeschichte erzählen. Die begann bekanntlich auf einem Bauernhof. Mit Sophie Cornelis und Lorenzo De Block hat er zwei starke Partner gefunden, die das Geschehen im und um Hopspot entwickeln und umsetzen.
Das Fourchette ist das neue Gastronomie-Bier von Van Steenberge, Foto: Regine Marxen
Auf die schmackhafte Tour
“Advice them what you can eat with beer.” Das ist die Idee hinter Hopspot. Zu wissen, wie Bier gebraut wird, ist die eine Seite. Es mit dem Thema Genuss zu verknüpfen und das Potenzial des Getränks freizusetzen, ist die Kür.
“I’m very surprised that this is possible on the level of cooking with beer and serving the correct beer with the menu.”
Jef Verselen
Gemeinsam will das Team die Biermenüs weiterentwickeln. Das ist nicht nur marketingtechnisch, sondern auch wirtschaftlich vielversprechend. Lokal ist das neue groß, ist sich Jef Verselen sicher. Das Bekenntnis zur Regionalität spiegelt sich auch auf der Speisekarte wider. Die Zutaten kommen aus der Region, from farm to table. In der Gastronomie ist das einer der Megatrends der Zukunft.
Foto: Regine Marxen
Für Überraschungen im Glas sorgen Biere wie das Fourchette Grand Cru. Das Bier lagert mehr als zehn Monate in Sauvignon Blanc-Fässern. Es ist die Premium-Version des Mehrkornbiers Fourchette, ein Blend aus belgischem Tripel und floralem Witbier, das Van Steenberge gemeinsam mit belgischen Sterneköchen entwickelt hat. “Passion & Patience” macht es aus, wie alle ihre Biere, sagt Jef. Das gibt es natürlich auch im Hopspot. Ein alkoholfreies Bier soll es hier auch geben. Hopspot soll ein Ort zum Entdecken und Experimentieren sein, für den Gast und für die Macher und Macherinnen. Geschmacklich und optisch.
Eines der Gästezimmer im Hopspot. Foto: Regine Marxen
Passion & Patience
Die Halle mit der Braukon-Anlage sieht tagsüber eher spröde aus. Abends scheint das Licht von innen durch die helle, lichtdurchlässige Polycarbonatverkleidung und setzt die Dachkonstruktion in Szene. Die Brasserie ist hell und modern gestaltet, das Mauerwerk im hinteren Barbereich ist weiß getüncht und harmoniert gut mit den hellen Holzbalken. Vier Gästezimmer gibt es im Hopspot. Ein Doppelbett, ein kleines Bad, Eichenholz, weißes Mauerwerk und ein Hauch von Azur, gemütlich. Die Nacht kostet ab 120 Euro. Unkompliziert soll es hier zugehen, sagt Hotel- und Eventmanagerin Sophie. Eine Mischung aus Airbnb und Bed & Breakfast. Hopspot ist nicht groß, aber besonders. Der Ort überrascht auf vielen Ebenen. Wie war das noch? Wer als kleine Brauerei überleben will, muss sich neu erfinden. Oder sich besinnen auf das, was war, ist und sein wird: Auf Passion & Patience.
Intensiv & wärmend: Das Gulden Draak Cuvée Prestige Laphroaig. Toffee, Café, Whiskey, Torf. Foto: Regine Marxen
Text: Regine Marxen.
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