HHopcast Podcast #60: Oliver Lemke, Brauerei Lemke, Berlin

#60: Oliver Lemke, Brauerei Lemke, Berlin

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Oliver Lemke, Gründer und Inhaber der Brauerei Lemke in Berlin, stellt sich strategisch neu auf. Mit E-Commerce, geschärftem Markenprofil und Bierspezialitäten will der Berliner Pionier der Craft Beer-Bewegung auch außerhalb der Hauptstadt präsenter werden.

Corona hat auch Oliver Lemke und seiner Lemke Brauerei in Berlin zugesetzt. Doch er hat die Zeit genutzt, um sich strategisch neu auszurichten. Spezialbiere für den Onlinevertrieb, Pils, Helles und Co für den Verkauf in und um Berlin, mehr Gastronomiekunden. Und, ja, mehr Marketing. Ohne das, so der Braumeister, ginge es nicht. “Wir könnten heute ganz woanders stehen, hätten wir vor zehn Jahren schon Marketing gemacht”, sagt er. “Ich bin eben nur ein doofer Techniker, der ein gutes Produkt macht und denkt, das verkauft sich von alleine. Aber immerhin bin ich lernfähig.”


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Das folgende Transcript der Podcastfolge ist stark gekürzt und gibt Euch einen guten Überblick über die Kernpunkte unseres Gesprächs. Wer tiefer einsteigen möchte, gerade auch, was die einzelnen Biere angeht, der sollte dringend den Podcast hören.

Hinweis: Als Support und Special Guest berichten Udo Spallek und Jens Hinrichs, Initiatoren der Hamburg Beer Week 21, über das anstehende Bierfestival. (2:22)

Oliver Lemke: “Dass wir andere Biere als nur Pils, Weizen, Export und so haben wollten, lag ja auf der Hand…” (15:42)

Regine Schön, dass wir heute hier sind. Wir sind hier in einem Raum mit ganz vielen Holzfässern, nämlich in deiner Brauerei. Hier lagern tolle Schätze.

Oliver Die meisten davon kann man ja auch auf Flasche abgefüllt genießen. Aber nicht alle, die hier liegen. Ich weiß nicht, ob ihr schon einmal das Byeast getrunken habt. Im Byeast finden immer als Cuvée die Biere eine Heimat, die den Weg in die anderen Flaschen nicht geschafft haben. Das klingt jetzt schlimmer als es ist, weil man misslungenen Bieren so eine zweite Chance geben kann. Meistens sind wir natürlich im sauren Bereich. Also, wenn ihr so ein Byeast zu schmecken bekommt, dann kann ich das nur empfehlen. Aber es gibt auch welche, die komplett entgleisen. Die sind dann eben für den Gulli da. Aber manche heben wir, auch wenn sie entgleist sind, trotzdem noch auf und schauen ein halbes Jahr oder ein Jahr später, ob sich nicht doch noch etwas entwickelt hat.

Regine Entgleisen ist ein gutes Stichwort. Wenn unsere Hörer und Hörerinnen ein Geräusch hören, das über unseren Köpfen rattert hier, dann ist es die Bahn. Wir sind hier an der Quelle von Lemke in dem Ursprungshaus zwischen Hackeschem Markt und Alexanderplatz.

Oliver Genau die Dircksenstraße läuft auf der einen Seite der Bahntrasse, auf der anderen Seite ist es die Hochstraße bzw. die Verlängerung der Hochstraße. Wir sind in der Mitte und in der Ost-West-Achse gesehen ist es zwischen den Hackeschen Markt und Alexanderplatz gab.

Regine Vor über 20 Jahren begann hier die Geschichte des Oliver Lemke und der Lemke Brauerei mit einem wahnwitzigen Plan, der seiner Zeit weit voraus war. Die Geschäftsidee von damals wäre heute wahrscheinlich der Renner. Aber damals hast du die Menschen glaube ich, vollkommen irritiert. Es ging um japanische Spieße und handwerklich gebraute Ales. Super Idee. Hast du die noch in der Schublade? Würdest du es noch mal wagen?

Oliver Nein. Das ist natürlich, wie bei jedem Unternehmer, in der persönlichen Vita irgendwie begründet, was er für Ideen hat und was er machen will. Und ich hatte damals in Japan eben Inbetriebnahme für Brauereien gemacht. Da hatte ich dieses Speisen-Konzept eben für gut befunden. Und dass wir andere Biere als nur Pils, Weizen, Export und so haben wollten, lag ja auf der Hand. Das war ja nicht meine Idee. Was Anfang der 80er in USA losging, ging ja hier im Grunde auch los mit dem Entstehen der Gasthausbrauereien. Die erste war ’84 oder so, irgendwie die Liga muss das gewesen sein, hier in Berlin ’87 das Luisen-Bräu. Das war ja im Grunde der gleiche Trend, der auch in den USA einsetzte mit Ken Großman und Konsorten. Bloß die Auswirkungen waren andere. Die deutschen Unternehmer, die damals anfingen, haben auch gesagt: ‘Okay, wir machen jetzt Gasthausbrauerei, wir machen unfiltriert und unpasteurisiert. Wir machen das Bier anders, weil der Mainstream finden wir nicht mehr befriedigend’. Also ich weiß ja, ich habe bei Jever zum Beispiel mal gearbeitet. Kleiner Exkurs, als Praktikant im Studium, und da gab es noch ein Export und ein Maibock. Das war ja alles weggestorben. Und in Amerika genau das Gleiche. Aber es gibt den Mentalitätsunterschied zwischen den Unternehmern in den USA und hier: Hier hat sich der Unternehmer dann irgendwie alle drei Jahre einen neuen 5er-BMW geleistet und dann war das okay. Da entstand nichts draus. Er hat seine Gasthausbrauerei gemacht und hatte kleine Ziele – im Vergleich zu dem, was die Kollegen in USA gemacht haben. Die haben gesagt: ‘Hey, super läuft, mach’ ich doch noch 2, 3 Standorte hinterher, klein mit Pub-Breweries, oder eben auch einen Schritt weiter und mache eine richtige Produktionsbrauerei mit Abfüllung’ und so weiter. Also die Mentalität dahinter war eine andere und auch der Bedarf oder die Kreativität. Was die Bierstile anging. Als wir angefangen haben hier ’99 war das Thema neue Biere oder andere Biere jenseits des Mainstreams schon im Grunde 15 Jahre alt; seitdem hier die ersten Gasthof-Brauereien entstanden sind. Was wir anders gemacht haben, war, dass wir gesagt haben ‘Okay, kann nicht sein, das ist einfach nur ein Hell und Dunkel gibt und die heißen auch noch Kupfer und Messing, das ist jetzt nicht so spannend. Da kam es mir natürlich zupass, dass ich in der Welt vorher so ein bisschen rumgereist bin und gesehen habe, was anderswo für Biere da waren und so kam eins zum anderen. So ging es damals los. Und auch das Thema Lohnbrau haben wir natürlich auch ausprobiert. Aber das Ganze hatte zwei ganz große Nachteile. A.) Haben die natürlich für 500 Flaschen das Bier gebraut oder den Füller angeschmissen. Das war alles ein bisschen größer. Das heißt, man musste erhebliche Mengen abnehmen, was finanziell belastend war, weil du es nicht verkauft bekommen hast. Es war völlig undenkbar, in einem Edeka gelistet zu werden. Kneipen hatten wir ein paar, aber auch rudimentär. Also das heißt B), das MHD lief ab, bevor wir es verkaufen konnten. Was ich auch festgestellt habe trotz vieler Versuche: Ich habe nie die Qualität bekommen, die ich haben wollte und das ist für mich bis heute so. Wenn man nicht alle Zügel in der Hand behält, kriegt man nicht das, was man haben will. Davon bin ich überzeugt. Deshalb machen wir halt auch alles selber.

Wir hatten diese Vielfalt am Anfang mit rund 40 Bieren im ersten halben Jahr. Da waren die Leute schon komplett überfordert und beim Essen waren sie auch überfordert.

Oliver Lemke

Regine Eine hohe Produktionstiefe also…

Oliver Genau. Gut, das Malz machen wir nicht selber. Aber über den Hopfen-Anbau hier auf dem Viadukt haben wir schon mal nachgedacht. Aber es scheitert so ein bisschen daran, dass die Wurzeltiefe zu hoch ist. Hopfen braucht möglichst ein Meter mindestens nach unten und das können wir hier nicht gewährleisten. Aber vielleicht machen wir es doch eines Tages irgendwie anders.

Regine Dein japanisches Restaurant, um die Ursprungsfrage noch einmal zu beantworten, kommt nicht mehr nach Berlin?

Oliver Nee, das machen wir nicht mehr. Das war einfach die Marktmacht, die uns gezwungen hat, umzuschichten. Wir hatten ja diese Vielfalt am Anfang mit rund 40 Bieren im ersten halben Jahr oder so. Da waren die Leute schon komplett überfordert und beim Essen waren sie auch überfordert. Da musste ich halt irgendwann nach ein paar Monaten nachdenken. Willst du hier in Schönheit sterben oder willst du überleben? Und dementsprechend wurden die Spieße zu Buletten und das Bier wurde ein bisschen eingeschränkt. Die Vielfalt.

Regine Es hat sich viel getan, muss man einfach mal sagen, in diesen paar Jahren. Wie du sagst, eigentlich immer eine immerwährende Baustelle. Ich habe das Gefühl, die Brauerei Lemke ist eine im positiven Sinne beständige Baustelle, wie es ja eigentlich auch im Unternehmertum angedacht ist.

Oliver Das ist richtig, was du sagst. Das Problem dabei ist, dass dir dabei die Ruhe fehlt. Wir machen das jetzt 20 Jahre oder 21 Jahre in diesem Tempo. Und dabei sind, muss man auch sagen, gute Leute auf der Strecke geblieben. Also Leute, die hier angefangen haben, die echt tolle Kollegen waren, aber die mit dem Stress nicht klarkamen, wo ganz klar war, die waren fachlich gut, die waren persönlich gut. Aber diese permanente ‘Ja. Warte noch sechs Monate, dann ist es vorbei. Dann kommt Ruhe rein’ und das ist aber nicht so, weil nach sechs Monaten kommt irgendwas anderes – das ist nicht für jeden das Richtige. Jeder Mensch ist anders und ich bin halt so, ich hab’ da kein Problem mit, wenn es immer irgendwie was Neues gibt. Für mich ist eher die Corona-Zeit grausig. Aber der eine so, der andere anders.

Stefan Das hört sich irgendwie nach 20 Jahre Start-up- Spirit an.

Oliver Witzig, dass du das sagst. Mittlerweile weiß ich auch, wo der Unterschied ist in dem, was ich gemacht habe oder was wir hier gemeinsam vor 20 Jahren begonnen haben und dem, was heute unter dem Begriff Start-up läuft. Der große Unterschied ist, dass du als herkömmlicher Unternehmer vom ersten Tag an Geld verdienen willst und musst. Und als Start-up ist das völlig egal. Du verbrennst im Grunde Geld von externen Investoren mit dem Ziel, Umsätze zu erwirtschaften. Das ist mentalitätsmäßig ein drastischer Unterschied. Das muss man wissen. Beides hat natürlich Vor- und Nachteile.

Regine Was funktioniert bei Lemke richtig gut?

Oliver Also ich hoffe, es funktioniert so ziemlich alles. Und am wichtigsten für uns ist, das funktioniert, dass wir Spaß haben, wenn wir herkommen. Also das ist das A und O. Also man verbringt doch einen Großteil seines Lebens auf Arbeit. Und es gibt ja unterschiedliche Ansätze, warum jemand ein Unternehmen macht. Mein Ansatz war immer: Ich möchte Spaß haben bei dem, was ich tue. Also ich habe Menschen erlebt, das haben wir alle schon erlebt, die irgendwie mit ihrem Job fertig sind, jeden Morgen mentale Übungen machen und sich selber erzählen: Ich hab’ Spaß bei der Arbeit, ich hab’ Spaß bei der Arbeit. Ist ja fürchterlich. Ich bin ja kein Spinner, der jeden Tag auf Wolke sieben unterwegs ist. Aber vom Prinzip muss ich etwas tun, wo ich sage: finde ich super, was ich da mache, und auch alle Leute, die das mit mir machen. Das ist natürlich die Wunschvorstellung. Klappt leider auch nicht immer. Also das ist das Erste, was klappen muss an dem, was wir tun. Erstaunlicherweise steht da nicht das Bier im Vordergrund. Das Zweite, was klappen muss: Wir müssen sensationell tolle Biere machen. Und zwar ohne jemals final damit fertig zu sein, sondern immer wieder. Wir stellen jedes unserer Biere in solchen Schleifen immer wieder auf den Prüfstand, machen Blindverkostung gegen andere Biere. Um zu sehen: Sind wir noch da, wo wir hinwollen, auch im Vergleich mit dem Wettbewerb. Leider müssen wir die Biere oftmals einfliegen lassen, mit denen wir uns im Wettbewerb sehen. Also ich habe ganz klar festgestellt, auch in diesen ganzen Verkostungen international und so weiter: Die Amis haben halt die Nase vorn. Wenn ich jetzt jemand anders wäre und du hättest die gleiche Frage gestellt wie vorhin, hätte ich gesagt: Bei uns an erster Stelle: Wir machen gutes Marketing oder so. Ist aber leider nicht so. Wir haben 20 Jahre gar kein Marketing gemacht. Wir haben jetzt seit einem Jahr erstmals jemanden, der überhaupt fürs Marketing zuständig ist. Wir haben uns da natürlich unfassbar viele Chancen vertan. Wir könnten heute, wenn wir vor zehn Jahren schon Marketing gemacht hätten, ganz woanders stehen, als wir heute stehen. Aber ich bin halt doofer Techniker, du denkst, als Techniker, du machst ein cooles Produkt und verkaufst es. Das funktioniert schon irgendwie. Ich meine, ich bin ja wenigstens lernfähig.

Als Nicht-Berliner hatte man ja bisher eigentlich kaum Chancen, euch zu entdecken.

Stefan

Stefan Ihr seid ja noch gar nicht so lange dabei, dass ihr überhaupt jenseits von Berlin erhältlich seid. Seit wann füllt ihr in Flaschen ab?

Oliver Ich glaube, jetzt füllen wir im vierten Jahr ab.

Stefan Als Nicht-Berliner hatte man ja bisher eigentlich kaum Chancen, euch zu entdecken.

Oliver Richtig. Es ist so, dass wir keine Vertriebspartner haben, zumindest nicht wissentlich außerhalb Berlins. Angefangen hat das Ganze im Grunde mit meinem Schulkollegen Marc Rauschmann mit Braufactum. Der hat dadurch, dass er eben eingebunden war in dieses große Radeberger-Ding, andere Möglichkeiten gehabt und hat mit tollen Bieren aus dem Hause Braufactum, unterfüttert mit tollen Bieren aus der ganzen Welt für mediale Wahrnehmbarkeit gesorgt. So hat aus meiner Sicht dieser ganze Spaß eigentlich angefangen. Und als das ein bisschen sofort durchschritten war, haben wir gesagt Okay, jetzt setzt docken wir nochmal da an, wo wir früher eigentlich schon waren, erhöhen a) die Vielfalt wieder und b) gehen auch auf Flasche. So, und dann haben wir das gemacht und dann haben wir erstmal geguckt ohne Konzept. Mal gucken, was passiert. Und dann kamen eben auch welche und haben hier irgendwie palettenweise Bier gekauft. Und die riefen die ich dann ein halbes Jahr später an und sagten” Es ist alles MHD, wir bringen jetzt euer Bier zurück. Wo du sagst: Nee, nee, wenn ihr denkt, dass in Buxtehude unser Bier verkaufbar ist, dann ist es ein Stück weit euer Risiko. Das war ja auch total naiv von uns, denn das war ja so üblich. Und dann haben wir und hingesetzt und überlegt: Wie wollen wir das konzeptionell machen? Da haben wir entschieden: Okay, wir können nur Berlin. Ich hatte mal mitgekriegt, dass, wenn du Einzelhändler versorgen möchtest, auch permanent dort auftauchen musst. Das ist für ganz Deutschland für uns nicht leistbar. Oder du suchst dir einen Partner. Das wollten wir nicht. Oder du sagst, wir machen den Lemke-Weg, und zwar immer langsam. Wir machen jetzt Berlin. Und das haben wir gemacht, auf dem Stand sind wir. In Berlin sind wir, glaube ich, was Einzelhandel angeht, sehr gut distribuiert. Zu spät sind wir das Thema Gastro angegangen, zum Leidwesen des supertollen Kollegen, den wir hier haben, der ein halbes Jahr vor Corona hier eingestiegen ist, um die Gastro klarzumachen. Er hat jetzt eineinhalb Jahre Pause gehabt, aber jetzt legt er wieder mit viel Kraft los. Das haben wir nicht rechtzeitig gemacht. Und ja, jetzt ist natürlich das Thema E-Commerce dazugekommen. Wir hatten einen Shop, schon seit unserem Rebranding, das war 2007 oder so. Aber wir haben das ganze Thema natürlich gar nicht verstanden, haben gesagt, man hat so’n Shop, wenn einer da etwas kauft, dann ist schön und wenn nicht, dann nicht. Du hast das nicht beworben. Von Performance-Marketing oder ähnlichen Dingen war überhaupt nicht zu sprechen, sodass das marginal war. Als Corona losging, stieß ein Kollege aus dem Marketing zu uns, das befruchtet sich gegenseitig. Er hat uns dann erst einmal alles erklärt.

Regine Und ihr habt staunend zugehört.

Oliver Genau. Das passte natürlich gut in die Zeit, weil klar war, dass bei uns 60 bis 70 Prozent des Umsatzes wegfallen würden. Da haben wir dann auch angefangen und ich finde das auch nach wie vor super. Durch diesen E-Commerce Bereich sind wir natürlich jetzt deutschlandweit erhältlich und präsenter. Ich sehe da schon großes Potenzial. Wir versuchen einfach, verschiedene Dinge unter einen Hut zu bringen.
Wir haben zwar einen Wettbewerbsvorteil, uns gibt es schon seit 21 Jahren, die Leute kennen uns. Als Techniker gehst du halt her und sagst: Okay, cool, verkaufe ich meine super gemachten Biere in meinem Brauhaus oder Ausschank oder was auch immer. Wir haben aber jetzt mehrfach mitgekriegt, dass die Leute das nicht sortiert kriegen, weil sie sagen: Okay, ihr macht so coole, exklusive, tolle Biere. Aber die Gastronomie, die ihr betreibt, ist eher etwas, was wir schon kennen. Das ist eher so Brauhaus. Das heißt, das Brauhaus ist ja nicht schlecht, aber es ist halt nix exklusives. Mir ist bewusst geworden, dass das irgendwie ein Spagat ist, den wir jetzt versuchen unter einen Hut zu bekommen. Indem das große Haus einen Relaunch erfahren wird. Das wird weg von der deutschen Gastronomie gehen. Ich verrate noch nicht wie. Vieles ist schwierig in der Umsetzung. Wenn du ein tolles Bier bestellst, dann erwartest du auch einen Kellner, der ein riesiges Know-how hat. Beratungsmäßig. Nun bist du aber in einer Branche unterwegs, wo es nicht so leicht ist, Kellner zu finden, die sich dafür begeistern oder willens sind, dort auch sich fortzubilden. Also das ist ja nur ein kleiner Baustein, einer von vielen.

Regine So viele Baustellen. Der neue Shop, die Digitalisierung des Betriebes, dann die Überarbeitung der gastronomischen Angebote. Dann gibt es ja auch, so wie ich das verstanden habe, hier Bereiche, also spezielle Biere, die ihr neu auflegt oder wo ihr an eurem Profil arbeitet.

Oliver Also das ist auch ein Thema. Wir haben ja jetzt 18 Sorten plus saisonale. Und die sind ja auch im Laufe der Zeit gewachsen. Anders als beim Großbrauer gibt’s bei uns kein von der Marketing-Agentur kreiertes komplettes Konzept. Keine Einheitlichkeit.

Regine Ihr habt euch designtechnisch verlaufen.

Oliver Genau, jetzt aber gerade machten wir ein Re-Branding.

Regine Du hast es mehrfach betont, es geht auch um den Inhalt, um das gute Bier.

Oliver Also wir haben im Hause Lemke hier einen ganz tief sitzenden, genetisch festgelegten Anspruch. Und der ist: Wir wollen das bestmögliche Bier brauen. Wir sind alles Fachleute. Wir haben vier Braumeister zu laufen, zwei Gesellen und drei Lehrlinge; und die müssen alle befinden, dass das Bier in dem Stil optimal ist. Und ganz, ganz wichtig und ganz oben steht eben auch der Kunde. Das heißt, wir wollen, dass der Kunde mit dem Bier, so wie wir es brauen, wirklich zufrieden ist. So, und das beinhaltet viele Vorteile. Es beinhaltet aber auch Nachteile. Vorteil ist: Wenn jemand das wertschätzen kann, dann weiß er, welche Qualität er bei uns bekommt. Und er weiß auch, dass wenn er drei Monate später dieses selbe Bier kauft, dass es ihm wieder schmeckt. Wir sind nicht Radeberger, wir haben keine Labore. Das Bier ist nicht einhundert prozentig exakt gleich, aber in Leitplanken. Das heißt, wenn du morgen unser Bier trinkst und noch mal in drei Monaten, wirst du feststellen: Okay, das ist das Bier von Lemke. Das ist unser Anspruch. Aber es gibt eine überschäumende Kreativität hier. So werden also seit Jahr und Tag laufend Biere hier gebraut, auch ohne mein Wissen teilweise. Ist auch gewollte so, super. So entstehen immer wieder neue Biere wie die Budike mit Lavendel. Aber wir fahren immer kreative Geschichten, haben ein kleines 50 Liter-Sudhaus und das steht eigentlich nie still, sondern da wird immer irgendetwas kreiert. So sind wir auf die Idee gekommen, haben gesagt: Okay, das ist eigentlich schade, weil teilweise sind echt coole Sachen dabei, die es aber auf den ersten Blick zumindest nicht wert sind, ins dauerhafte Portfolio hereinzugehen. Dafür gibt es jetzt die Beer Machine bei Lemke, ein kleiner Bereich, wo alle diese Biere eine Heimat finden und die werden dann eben immer in der Menge, wie sie da sind abgefüllt auf Dose und vermarktet. Die Jungs scharren jetzt schon mit den Hufen und haben schon 22 Rezepte, die sie brauen und verkaufen wollen. Das wird cool. Das ermöglicht uns eben auch einen anderen Ansatz, nicht mal den ursprünglichen Lemke-Ansatz zu fahren, sondern den anderen, den neuen Ansatz zu fahren.

Also es ist nicht als einmalige Geschichte geplant. Dafür war der Entwicklungsaufwand doch viel zu hoch. Die Luise soll sich schon auch etablieren.

Oliver Lemke, Lemke Brauerei

Regine Lass’ uns über Luise sprechen.

Luise von Brauerei Lemke
Foto: Regine Marxen

Oliver Die Luise war ein langes Projekt. Luise ist schon abgefüllt und etikettiert, kommt in einer 0,75er Champagnerflasche mit einer sehr schönen Etikettierungen. Der eine oder andere kennt uns ja schon. Wir sind vor einigen Jahren angetreten und haben gesagt, wir wollen die Berliner Weiße, so wie sie mal war, wieder entwickeln. Da gibt’s natürlich, das kann man an dieser Stelle auch nicht oder will man nicht verheimlichen auch Mitstreiter, die Ähnliches gemacht haben. Aber wir waren schon ganz vorne mit dabei und haben dann einen eher wissenschaftlichen Ansatz gewählt. Das heißt, ich bin zu Professor Methner von der TU Berlin gegangen und habe gesagt, ich möchte gerne Berliner Weiße, so wie sie mal war vor ein paar hundert Jahren, als Mischgärung herstellen. Er fand das super, weil seine Dissertation das Thema behandelte und er war eigentlich der, der entdeckt oder als erster ausgeführt hat, dass Brettanomyces einen großen Anteil hat. Dann sind wir eben so verblieben, dass er gesagt hat: Okay, ich soll mir mal einen Kopf machen, was ich da erforschen will und er schaut mal, dass er Studenten findet, die dann dieses Thema eben im Rahmen ihrer Studienarbeiten, Diplomarbeiten und so weiter behandeln. Und ja, so haben wir das gemacht. Das ist schon ein paar Jahre her. Einer der Kollegen, die ich da betreut hatte, ist heute hier auch als Braumeister mit unterwegs.

“Warum sollte man Sekt trinken, wenn man in Berlin wohnt?”

Oliver Lemke

Und so haben wir also vor zwei Jahren oder so die Budike herausgebracht als Berliner Weiße, die, so glauben wir, so ist, wie sie früher mal war. Was natürlich nur bedingt richtig ist, weil früher heißt zu einer Zeit, wo man nicht einmal wusste, wo der Alkohol herkommt. Das heißt, wir haben natürlich vor ein paar hundert Jahren immer das Thema gehabt, dass das ein Zufallsprodukt war. Aber wenn es denn mal gut war, dann glauben wir, wird es in etwa so geschmeckt haben wie das, was wir heute haben. So fing es also an. Es kam zu verschiedenen Varianten, gelagert auf Waldmeister oder auf Kirschen oder Himbeeren. Und persönlich fand ich dann, das eigentlich auf Eichenholz auch gut funktionieren müsste, weil die Eiche natürlich diese Süße mit reingibt. Und das korrespondiert aus meiner Sicht auch sehr gut mit der Säure. So ist also erst mal die ganze Vorgeschichte. Aber es war auch von vornherein klar, dass das nicht geht Ende der Fahnenstange sein würde. Vor zwei, drei Jahren haben wir eigentlich schon angefangen, eine hochprozentige Variante zu entwickeln, das ist das große Problem. Habt ihr vielleicht schon mal festgestellt, wenn ihr Biere getrunken habt, die hochprozentiger und bretthaltig sind, dass die teilweise nicht trinkbar sind nach geraumer Zeit, weil bei Brett einfach so überbordend ist. Ich liebe Brett, weil sie Komplexität reinbringt, aber wenn es zu viel ist, kannst du es nicht mehr trinken. Das war die Herausforderung bei den Versuchen, dass wenn wir hochprozentig rangehen, die Brett uns nicht erschlägt und das Ganze trotzdem eine Balance hat. Wir haben das hinbekommen, hatten aber auch viele Fehlversuche und haben das Bier auch noch auf Holzspänen liegen, sodass eben aus unserer Sicht wirklich ein sehr, sehr, sehr schönes Getränk entstanden ist, was diesem Spruch von wegen Champagner des Nordens alle Ehre gereicht. Und ja, warum sollte man noch Sekt trinken, wenn man in Berlin wohnt. Wir haben im ersten Sud jetzt 1.200 Flaschen abgefüllt. Wir haben schon 200 an Weinhändler verkauft. Wir verkaufen auf der Rampe täglich welche und das ist auch dauerhaft geplant. Also es ist nicht als einmalige Geschichte geplant. Dafür war der Entwicklungsaufwand doch viel zu hoch. Die Luise soll sich schon auch etablieren.

Regine Stefan. Ich finde, es ist Zeit für die Inselfrage.

Stefan Du strandest auf einer einsamen Insel und Du darfst Dir ein Bier mitnehmen, dass du quasi bis ans Ende aller Tage trinken müsstest. Was würde das sein?

Oliver Lemke Okay, ich war versucht Budike zu sagen. Aber das Problem ist einfach: Wenn man immer nur Sauerbier trinkt, dann hat man manchmal das Gefühl, man müsste für den Magen auch mal irgendwie ein Gegenpol setzen. Also da wüsste ich nicht, wie, und dann hätte ich bierfreie Tage, das wäre auch blöd. Insofern: Ich bleibe beim 030 Pale Ale.


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Redaktion: Regine Marxen und Stefan Endrigkeit. Produktion & Postproduktion: Stefan Endrigkeit, Header: Brauerei Lemke

Insel-Bier

Lemke 030 Pale Ale

Termine und Bierfestivals August & September 2021

  • Freitag, 27.08.: Lesung „Unser täglich Bier gib uns heute“ mit Volker Quante, Sünje Nicolaysen, André Krüger und Regine,
  • Soft Opening Braustättchen am Samstag, 28.08, ab 12 Uhr,
  • Craft Bier Bar, Donnerstag, 26.08.,Tap Takeover Lervig,
  • Bar Oorlam Freitag, 27.08, Lambic- und Geuze Weekend mit Daniel does Food Pop-up Kitchen aus Berlin,
  • Bierbühne Hamburg, Freitag, 27.8., Tape Takeover mit Sudden Death,
  • Galopper des Jahres, 27.-28-08, Freitag und Sonnabend, ab 17 Uhr Hobbybrauer Hamburg-Tape Takeover (Stefan ist auch dabei)
  • Sonntag, 29.08 veganer Frühschoppen im Malto
  • Sonntag 29.08, Cruise Brews Drinking Club: Franz von Tilmans, ab 14 Uhr
  • Berlin Beer Week, 3.-12.9.21, div. Locations, u.a. mit einer Craft Beer Fahrradtour mit Fuerst Wiacek, (4.9.21.), dem French Bistro Steak Dinner im Schneeeule Salon (7.9.21), Bier & DJs im BRLO Biergarten (8.9.21) und dem Berlin Beer Week Closing Event: Beer & Streetfood Days in der Kulturbrauerei (10.-12.9.21)
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