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Pils-Geschichte(n)

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Das Pils rankt auf der Beliebtheitsskala deutscher Biertrinker immer noch ganz oben. Der Klassiker brilliert mit schlankem Körper und bitterem Finish, steckt aber auch moderne Interpretationen locker weg. Über einen Bierstil, der das Zeug zur Ikone hat. Erschienen in Meiningers Craft 2/22.

Strohgelb, klar, gekrönt von einer weißen Schaum-Blume, die nur langsam verblüht, so präsentiert sich das perfekte Pils im Glas (s. oben, Foto: Spiegelau) Genau so stellt sich über ein Drittel der deutschsprachigen Bevölkerung sein Lieblingsbier vor. 36,8 Prozent wählten laut Statista 2020 das Pilsner als favorisierten Bierstil. 2021 gingen rund 62 Prozent des gesamten bundesdeutschen Bierabsatzes auf das Pils-Konto. Die Zahl bleibt, trotz rückläufigem Bierkonsum, nahezu konstant. 2020 waren es 63 Prozent, 2019 satte 62,7 Prozent. 15,25 Millionen Hektoliter Pils gingen alleine im ersten Halbjahr 2019 im bundesweiten Lebensmittelhandel übers Laufband – im selben Zeitraum wurden 2,06 Millionen Hektoliter Helles verkauft. Das Pils ist ein Evergreen, der Star im Bierregal. Es hat den Biergeschmack geprägt und eine Weltkarriere hingelegt.

Zur richtigen Zeit am richtigen Ort

Begonnen hat diese steile Laufbahn in Pilsen, in der viertgrößte Stadt im Westen von Böhmen in Tschechien. Mentor dieser Karriere war der Bayer Josef Groll. Martin Stelzer hatte den Braumeister 1839 aus Vilshofen nach Pilsen in seine neue Brauerei geholt, damit dieser dem heimischen Bier ein geschmackliches Update verpassen sollte. Denn die Bevölkerung war alles andere zufrieden mit der Bierqualität und hatte als Zeichen der Missgunst im Jahr zuvor 36 Bierfässer in den Straßen zerstört. Stelzer brachte neue Technologien in die Brauerei ein, Groll das Know-how über die Kunst der untergärigen Brauart, die er mit den lokalen Zutaten kombinierte. Helles böhmisches Malz, der Saazer Hopfen und das weiche Brauwasser vor Ort ließen einen neuen Bierstil entstehen: das Pilsner Lagerbier.

Seinen Siegeszug hätte es allerdings niemals ohne die technologischen Errungenschaften seiner Zeit vollbringen können. Die Erfindung der Kältemaschine ermöglichte saisonunabhängige Brauprozesse, Louis Pasteur erforschte die Funktionsweise der Hefe und der Haltbarkeit von Bier, Emil Hansen isolierte in Copenhagen einen einzelnen, reinen Hefestamm und die Erfindung der Eisenbahn ermöglichte den Transport von Gütern im großen Stil. Mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert feierte auch das Pilsner seinen internationalen Durchbruch. In Deutschland sollte es als German Style Pilsner zum Klassiker werden, in den USA ging es in der lokalen Lagerbier-Kultur auf. In Italien kreierte die Brauerei Birrificio Italiano im Zuge der dortigen Craft Beer Renaissance Ende der 90er Jahre mit dem Tipopils ein Italian Style Pilsner. Es ist kalt gehopft und unfiltriert. Sein Schöpfer Agostino Arioli verwendet die 34/70 Lager Hefe von Weihenstephan und den Hopfen Spalter Select, der Noten von Zitrone und Thymian ins Bier bringt. Matt Bryndilson, Braumeister bei Firestone Walker in den USA, nennt Arioli den „Godfather of Italian Craft Beer“ und brachte ihm mit seinem Pivo Pilsner seine Ehrerbietung dar.

Pils Geschichte
„Die Kategorie hat es auf jeden Fall verdient, kreative, hopfige Biere zu brauen, die wie auch immer unkompliziert daherkommen.“ Josef „Seppi“ Sigl
Foto: Trumer

Das Pils im Profil

Viele Geschichten ranken sich um den ikonischen Bierstil. Man kann sagen, er ist mythentauglich. Seine Charakteristiken sind im Prinzip bis heute unverändert. Das Pils zählt zu den untergärigen Lagerbieren, ist stroh- oder goldgelb, glanzfein und wird mit 100 Prozent Gerstenmalz gebraut. Seine Stammwürze pendelt meist zwischen elf und zwölf Grad Plato, der Alkoholgehalt bei um die fünf Prozent. Die Bitterkeit variiert zwischen 24 und 48 International Bitter Units (IBU). Ein Pilsner Urquell zählt beispielsweise 40 IBU. So viel zur Theorie. Natürlich hat auch diese Stilistik verschiedene regionale Ausprägungen erlebt. Im Norden der Republik kommt das Pils recht schlank mit betont herbem Finish daher. Das bayrische Pils ist deutlich hopfenbetonter und hat zudem eine leicht süßliche Aromatik. Das böhmische Pils unterscheidet sich von seinen deutschen Kollegen durch die buttrigen Aromen. Verantwortlich dafür ist Diacetyl, das während der Gärung im Bier abgebaut wird. Da das böhmische Pilsner kürzer lagert, wird dieser Prozess unterbrochen. Außerdem hat es einen vollmundigeren, malzigeren Körper.

Hat Freestyle Grenzen?

Kolja braut in Lauenau im Sudhaus der Rupp-Bräu eine Charge TRAININGSLAGER. Foto: Philipp von Ditfurth

Nicht nur in Italien oder in den USA, auch in Deutschland hat das Pils längst seinen Einzug in die Craft Beer Szene gefunden und viele Interpretationen erfahren. Kolja Gigla, Gründer der Hannoveraner Mashsee Brauerei, brachte 2016 mit dem Beverly Pils ein mit Hallertauer Magnum und Citra gestopftes Freestyle Pilsner auf den Markt, das sich bis heute in seinem Portfolio hält. Die Sorge, dass sich dieses zu sehr von dem klassischen Pils entfernen würde, hatte er nie. „Ich denke, dass sich das Pils hervorragend für die Kalthopfung eignet, sodass man damit schon spielen sollen dürfte“, sagt er.

Eine Meinung, die Josef „Seppi“ Sigl von der Privatbrauerei Trumer teilt. Die sitzt zwar in Österreich, hat aber mit dem Trumer Pils eine mehrfach preisgekrönte Referenz im Programm. „Die Kategorie hat es auf jeden Fall verdient, kreative, hopfige Biere zu brauen, die wie auch immer unkompliziert daherkommen.“ Das hauseigene Pils hat inzwischen vom fruchtig-frischen Hopfenspiel Gesellschaft bekommen.
In Hamburg arbeitet Buddelship-Gründer und Braumeister Simon Siemsglüss derweil an einer Crafty Pils-Serie, in welcher er mit deutschen, englischen oder neuseeländischen Hopfensorten spielt.

Pils Geschichte
Foto: priv.

Zum Beispiel mit New Zealand Motueka, dessen grasige, leicht bitteren aber auch zitrusartigen Noten sich hervorragend mit dem Malzkörper des Bieres verstehen. „Ich tendiere dazu, nicht zu stopfen, sondern den Hopfen im Whirlpool beizufügen, um die Grundstruktur des Pilsbieres zu erhalten“, sagt er.

Pils Geschichte
Foto: HHopcast/Marxen

Dario Stieren, Geschäftsführer bei der Munich Brew Mafia, ist diesbezüglich mutiger unterwegs. Das Don Limone ist gleich vierfach mit Citra gehopft und trägt folgerichtig den Namen Citra-Pils. „In der Tat verwenden wir in etwa fünfmal mehr Hopfen in diesem Bier als man regulär für ein Pils verwenden würde. Aber wir wollten den Hopfen in allen Facetten herausarbeiten.“ Im Kaltbereich hätte man deshalb zusätzlich eine Art Doubledryhopping eingesetzt: zu Gärbeginn und im Lagertank entwickele der Hopfen nochmal ein anderes Aroma. „Wir wollen die Traditionalisten und die Craft Ultras abholen.“

Ist das noch ein Pils – oder schon ein IPL? Die Grenzen zwischen den Stilen sind manchmal fließend, die Kreativität, die sich weltweit rund um die Bierstilistik entfacht, eine Verneigung vor dem Original. Vom Beatles-Song Yesterday existieren bis heute circa 3000 Coverversionen. Manche sind gut, manche besser. Manche bleiben für die Ewigkeit.

Header: Spiegelau

Mehr über Pilsliebe erfahrt ihr im Interview mit Josef „Seppi“ Sigl
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