HHopcast Podcast #74 Bierothek-Gründer Christian Klemenz: Von einem, der auszog, um in Indien Bier zu verkaufen

#74 Bierothek-Gründer Christian Klemenz: Von einem, der auszog, um in Indien Bier zu verkaufen

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Die Idee war groß, und am Ende lief (fast) alles anders. Bierothek-Gründer Christian Klemenz über Gründerjahre, CK-Shirts und den Versuch, mit dem Bier Climate Score Bierverkauf und Nachhaltigkeit miteinander zu verbinden. Support: Daniel Köning, Kompaan.

2013 gründete Christian Klemenz die Bierothek. Damit gehört er zu den ersten, die in Deutschland das Prinzip Bottle Shop und Onlineversandhandel für Bier umsetzten (zeitgleich u.a. mit dem Craft Beer Shop). Er hat BWL studiert, wollte immer was Eigenes machen. Und er ist Franke, kommt aus Bamberg, klar, Bier, das muss es sein. Warum nicht Bier in Indien verkaufen? Dickes Brett, sagt er heute. Geschafft hat er es – und einiges mehr. “Es ist nicht nur Business”, sagt er. Das glauben wir ihm. Ein Podcast über Bierliebe, Bierbusiness und Bier in Indien.

Support: Daniel Köning

Daniel Köning Sonderfolge für Supporter
Foto: privat

Daniel Köning ist eigentlich Dipl.-Designer, übers Heimbrauen kam er zum Bier und startete schließlich die Ausbildung zum Brauer und Mälzer in Berlin bei BRLO. Nach über 2 Jahren als Lead Brewer bei Heidenpeters hat es ihn jetzt in die Niederlande gezogen, zu KOMPAAN. Daniel ist spät ins Braubusiness gegangen, das sorgt auch für Druck. Wir fragen ihn, warum er sich dazu entschieden hat, statt Grafiken lieber Bier zu kreieren, wie er mit Druck umgeht und was ihn trotz aller Schönheit an diesem Job manchmal nervt. Diese Folge ist die gekürte Fassung der Sonderfolge für Supporter. Die ungekürzte Version steht exklusiv für HHopcast-Unterstützer zur Verfügung.

“Was macht jetzt wirklich den CO2-Fußabdruck letztendlich aus? Vom Feld in die Hand oder ins Glas?”

Hinweis: Das folgende Protokoll dieser Podcastfolge ist gekürzt. Die ungekürzte Version erlebt Ihr in unserem Podcast. Den könnt Ihr hier hören – oder Ihr folgt uns auf Spotify, Apple Podcast oder einem Kanal eurer Wahl. Gerne spreaden, gerne ein Sternchen als Bewertung zurücklassen. Oder uns via Steady unterstützen. Wir freuen uns über euren Support. Danke fürs Zuhören!

Regine: Ihr habt einen Score entwickelt in Sachen Nachhaltigkeit für eure Biere, zusammen mit einer Universität. Erzähl mal.

HHopcast auf Spotify. Ihr findet ihn aber auch auf vielen weiteren Kanälen eure Wahl.

Christian Klemenz: Genau. Und zwar mit der Universität, an der ich auch studiert habe, wo ich mein Masterstudium gemacht habe, an der Handelshochschule Leipzig. Das war damals auch schon so, als ich da Student war. Da gab es immer sogenannte Praxis-Projekte, wo Firmen mit kleineren Forschungsaufträgen angefragt haben. Und dann haben Studenten das unter Supervision von dem Professor bearbeitet. Die Uni kam auch Ende letzten Jahres auf uns zu und hat gefragt, ob wir ein Thema hätten, was wir gern bearbeiten wollen würden. Da wir sowieso so vielerlei Nachhaltigkeitsbestrebungen in der Firma haben und versuchen, alles zu machen, haben wir uns eh schon immer selbst die Frage gestellt: Wie groß ist eigentlich der Climate Impact? Also quasi von verschiedenen Bieren, weil selbst uns, die wir ja eigentlich die Profis sind, ist das nicht immer transparent. Was ist, was macht eigentlich den größten Einfluss? Dann haben wir das studentische Team darum gebeten, das mal zu recherchieren und sich mal anzuschauen. Was macht jetzt wirklich den CO2-Fußabdruck letztendlich aus? Vom Feld in die Hand oder ins Glas. Also nicht nur die reine Produktion, sondern wirklich auch den kompletten Weg. Da haben die uns jetzt eine schöne Studie dazu gemacht.

Regine: Und das übertragt ihr dann in euer System. Und wenn ich jetzt zum Beispiel auf eure Website gehe und ich gucke mir ein Bier aus, habe ich da unten dann so einen kleinen Button sowie zum Beispiel die Energiebilanz eines Kühlschranks?

Christian Klemenz: Genau das ist ein bisschen der Vergleich. Also wie gesagt, wir haben erstmal den Forschungsteil, wo wir uns das mal angeschaut haben und da haben wir belegt, okay, wie können wir das eigentlich in die Praxis übertragen und haben gesagt, eigentlich wäre es schön, so eine relativ einfache, transparente Lösung zu haben.

Regine: Ist zum Beispiel so ein US-Bier da nicht generell eher schlecht aufgestellt in der Nachhaltigkeitsbilanz oder CO₂-Bilanz?

Christian Klemenz: Also genau das ist wie gesagt für uns selber interessant. Ist ja klar, dass wenn ein Bier einen langen Weg genommen hat, ist da auch Energie angefallen. Aber wir wollen es relativ einfach für den Kunden darstellen und es geht jetzt auch nicht darum, sage ich mal, das dann zu verdammen, unbedingt. Aber wir wollen es einfach transparent machen. Und wir haben sowieso immer den Ansatz, dass wir da, wo Emissionen nicht zu vermeiden sind, dass wir sie dann zumindest ausgleichen.

Stefan: Und das habt ihr jetzt einfach quasi für alle Biere im Laden gemacht. Also das ist der Plan.

Christian Klemenz: Genau jetzt, jetzt beginnt sozusagen die Implementierungs-Phase, jetzt müssen wir das umsetzen, dass das im Onlineshop und in den Läden dann für den Kunden transparent ist. Also wir sind jetzt hier in Hamburg. Hier gleich ums Eck ist das Braustättchen, unser Partner-Händler von Christian Temme, der wird das auch als Pilotprojekt sehr zeitnahe umsetzen.

Stefan: Ja. Super. Also, ich meine, es wurde ja schon immer gesagt, wenn wir wirklich nach Nachhaltigkeit gehen, müssten wir eigentlich alle Öttinger trinken.

Christian Klemenz: Also wir haben natürlich auch die Frage von Anfang an, also wir wollten uns einfach da jetzt nicht wegducken oder so, sondern quasi einfach klarmachen, natürlich ist es ein Luxus, ein Stück weit, wenn, wenn man, sage ich mal, Biere aus der ganzen Welt, außergewöhnliche Biere trinkt. Das ist ja unser Geschäftsmodell. Wir wollen natürlich auch alle diese Biere verkaufen, ganz, ganz klar. Aber wir sehen es dann trotzdem so ein bisschen als unsere Verantwortung an und dem Kunden auch die Möglichkeit geben, zu sagen: So, hey, wenn du willst, kannst du auch noch einen zusätzlichen Beitrag leisten. Und deswegen haben wir diesen sogenannten Bier Climate Score jetzt entwickelt.

Regine: Habt ihr Brauereien gefragt, wie die das finden?

Christian Klemenz: Ähm.

Christian Klemenz: Wir machen es einfach. Genau. Wir haben es jetzt veröffentlicht und das machen wir, aber unser Ansatz ist auch der, dass wir wollen, dass die Brauereien, die dann eben vielleicht dann da auch mal schlechter abschneiden, aus irgendeinem Grund, das natürlich dann auch transparent offenlegen, warum sie da schlechter abschneiden. Das heißt zum Beispiel, Gebinde oder was auch immer, und um da vielleicht auch einen Anreiz zu setzen, irgendwie was zu machen gegebenenfalls. Also wir bauen ja sowieso so eine ganze digitale Plattform auf, wo Brauereien sich eben anschließen können. Und da wollen wir auch eben mit Software-Produkten eben zu diesem ganzen Thema Nachhaltigkeit oder auch im Klimaschutz versuchen, da Tools zu bauen, die eben Brauereien helfen, das für sich selber zu tracken, transparent zu machen und auch gegebenenfalls Maßnahmen zu ergreifen, um da was zu verbessern.

Regine: Also besteht da durchaus der Wille, enger mit den Brauereien zusammenzuarbeiten.

Christian Klemenz: Ja, natürlich.


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Regine: Das ist spannend. Gucken wir doch mal, wie du da gelandet bist, wo du bist. Christian Clemens, trägst du eigentlich immer automatisch Calvin Klein-Shirts, wie heute?

Christian Klemenz: Man hat das mehrfach an mich herangetragen. CK, irgendwie so deine Abkürzung. Dein Kürzel ist doch CK und das wäre doch das. Das passt doch so gut. Es gibt doch auch Klamotten, wo das draufsteht. Und ich fand es irgendwie dasselbe lustig und deswegen habe ich mir dann noch mal zwei T-Shirts gekauft, wo mein Name und Kürzel draufsteht. Eher ein kleiner Spaß.

“Mir war gleich klar: Ich will eigentlich was Eigenes gründen, wollte nie angestellt arbeiten, und das habe ich auch bis heute nicht gemacht.”

Christian Klemenz

Regine: Wie bist du da gelandet? Wie bist du im Big Business gelandet?

Christian Klemenz: Ja, das ist schon ziemlich lange her. Ich komme ursprünglich aus der Bamberger Gegend, also aus Franken, wie man es mir auch anhört. Und war dann zum Studium nach dem Abitur ein bisschen in der Weltgeschichte unterwegs, bin erst nach München, dann war ich eine Zeit lang in China, da war ich mal kurz in Brüssel, in den USA und für Masterstudium war ich dann auch in Indien eine Zeit lang.

Stefan: Was hast du studiert?

Christian Klemenz: BWL, genau, ich habe mich damals schon sehr viel für Gründung interessiert, was damals vielleicht noch ein Stück weit ungewöhnlicher war wie heute. Also heute ist das ganze Thema so stark und so fest verankert. Anfang 2006 oder so fing ich an zu studieren, da war das für meine Kommilitonen noch nicht immer die präferierte Karriere. Ich kann mich auch noch erinnern, ich habe 2009 an meiner Uni in München damals so einen Gründer-Kongress ins Leben gerufen. Das war schwer, überhaupt Leute zu animieren. Aber bei mir war das so und ich habe auch bei einem Risikokapitalgeber ein Praktikum gemacht in San Francisco im Silicon Valley in einem Startup. Und das hat mich einfach schon wahnsinnig interessiert. Mir war gleich klar: Ich will eigentlich was Eigenes gründen, wollte nie angestellt arbeiten, und das habe ich auch bis heute nicht gemacht. Ich wollte aber auch immer in dem Bereich arbeiten, wo ich jetzt für das Produkt auch eine gewisse Passion habe. Das war wahrscheinlich bedingt durch meine fränkische Herkunft beim Bier einfach auch immer der Fall.

“Das war dann der Ausgangspunkt, dass ich dann gesagt, ich bring’ jetzt deutsches Bier nach Indien und das habe ich dann auch gemacht. So ging es dann auch los.”

Christian Klemenz

Stefan: Man hat es ja quasi im Blut.

Christian Klemenz: Ein bisschen. Genau. Und dann habe ich, wie gesagt, eben so, wie sich das Studium zum Ende geneigt hat, gedacht: Ich will was Eigenes gründen und ich mache jetzt was im Bier. So, das war so ein bisschen der Ausgangspunkt, sage ich jetzt mal. Und dann konkret war ich eben zum Ende des Studiums auch in Indien und habe mich damals irgendwie auch sehr gewundert, wie es sein kann, dass es zum damaligen Zeitpunkt in Indien quasi kein deutsches Bier gab. Das war im Prinzip nicht vorhanden. Das war dann der Ausgangspunkt, dass ich dann gesagt, ich bring’ jetzt deutsches Bier nach Indien und das habe ich dann auch gemacht. So ging es dann auch los.

Regine: Wie kam die Idee an?

Christian Klemenz: Das war, ich sage immer gerne, wenn man einmal in Indien Bier verkauft hat, dann kann es nur noch einfacher werden. Also habe ich mir gleich das dickste Brett herausgesucht, weil es schon wirklich sehr, sehr mühsam war. Weil die Alkoholpolitik in Indien sehr restriktiv ist und allgemein das Importgeschäft. Das war schon mein jugendlicher Enthusiasmus. Aber es hat dann tatsächlich auch geklappt. Also wir haben das Oktoberfest der deutschen Botschaft mit Bier beliefert. Wir waren auf der Bierkarte vom Taj Mahal Hotel in Mumbai, das bekannte Hotel. Und so weiter. Wir haben wirklich ein paar richtig gute Kunden da gehabt. Aber es war immer ein recht kleiner Markt, weil wir dann einfach auch sehr hochpreisig waren. Die Ereignisse haben sich dann auch fast überschlagen, weil durch dieses Geschäft haben wir damals auch viel Medienöffentlichkeit bekommen. Dann haben sich dann teilweise von allein gewisse Importeure gemeldet, ein Importeur aus Neuseeland, aus Hongkong, aus Mexiko. Und dann haben wir in verschiedenste Länder exportiert und sind dadurch, wir reden jetzt vom Jahr 2012/ 2013, mit dem internationalen Craft-Business in Kontakt gekommen, die ja damals in Deutschland so in aller frühesten Kinderschuhen gesteckt war. So ist dann 2013 die Idee zur Bibliothek entstanden und 2014 haben wir dann den ersten Laden in Bamberg aufgemacht und dann ging es los.

Regine: Du sagst immer wir, wer ist wir?

Christian Klemenz: Also das wäre auch anmaßend, wenn ich nur von mir allein sprechen würde. Es ist immer eine Teamleistung. Also ich, ich war natürlich immer so die treibende Kraft und, aber ich habe auch früh zwei Studienkollegen von mir als Mitgesellschafter mit an Bord gehabt.

Regine: Sind das die, die zu deiner Startup-Veranstaltung gekommen sind, zu der sonst niemand wollte?

Christian Klemenz: Der eine ist netterweise gekommen, wahrscheinlich, um mir einen Gefallen zu tun, aber nicht, weil es ihn interessiert hat. Und der andere, den habe ich tatsächlich im Praktikum in San Francisco kennengelernt. Der war ja genauso bescheuert wie ich, zu sagen, ich muss unbedingt ein Praktikum in dem Startup machen. Unbezahlt gearbeitet haben wir in einem Coffeeshop, weil es kein Büro gab und so das war ganz lustig. Ähm, genau die beiden, die habe ich da frühzeitig mit an Bord geholt. Der eine konnte gut Buchhaltung, der andere konnte gut mit Finanzen. Der Deal war: Okay, ihr helft mit. Bezahlen kann ich euch nicht. Ihr bekommt Anteile an der Firma. Und genau so lief das. Der eine ist mittlerweile ausgestiegen, hat seine Anteile verkauft und der andere ist immer noch an Bord. Genau. Also von daher war ich nie allein.

Regine: Jeder hat seine Stärke. Was ist deine größte Stärke?

Christian Klemenz: Oh, das ist natürlich eine schwierige Frage. Ähm, ja, schon. Wahrscheinlich so Dinge ein Stück weit voranzutreiben. Also auch die Idee zu entwickeln oder allgemein Ideen. Es hört nie auf. Also halt immer sich zu überlegen, wohin soll es gehen, Leute dafür zu begeistern und versuchen mitzunehmen.

Regine: Wie es zu dem Namen Bierothek gekommen?

Christian Klemenz: Das war auch ich. Also die Anlehnung ist die Vinothek. Also wie gesagt, wir reden ja über eine ganz andere Zeit, wo man sich überlegt hat, was soll das denn eigentlich für einen Laden sein. Kein Getränkemarkt, sondern das ist ein Laden, wo nur Flaschen stehen und Leute kaufen einzelne Flaschen. Das war damals wirklich noch eine skurrile Vorstellung, eigentlich. Und dann war für mich immer klar, wenn es Weinläden gibt, wo ich meine Beratung bekommen und auch mal ein Tasting machen kann. Und für mich war das eigentlich eine ganz naheliegende Analogie zu sagen: Okay, wenn’s Vinotheken gibt, dann könnte es doch auch Bierotheken geben. So ist dann der Name entstanden, wir haben ihn uns dann frühzeitig auch als Wortmarke schützen lassen und sind bis heute sehr, sehr happy damit.

Regine: Das war ein cleverer Name, der Craft-Bier Diskussion hast du dich somit dann entzogen, die dann kurz später kam, was die Bezeichnung Craft eigentlich solle.

Christian Klemenz: Tatsächlich, das ist die Philosophie, die wir eigentlich schon immer hatten und auch bis heute haben, sage ich mal. Natürlich fühlen wir uns der Craft Beer-Szene zugehörig, sind wir ja auch de facto, aber diese reine Begrifflichkeit und auch vielleicht hier und da manchmal so ein bisschen selbst sozusagen der, der ideologische Überbau, der manchmal so mit dem Begriff Craft Beer verbunden ist, da haben wir uns immer nicht so sehr vereinnahmen lassen wollen. Weil wir auch immer gesagt haben, so, wir wollen eigentlich auch die Leute mitnehmen, die jetzt sage ich mal, nicht unbedingt interessiert, was machen gerade die Hipster in Hamburg und Berlin? Sondern, sondern die einfachen Leute. Wie gesagt, vielleicht hat das was mit meiner vergleichsweise bodenständigen fränkischen Herkunft zu tun.

Stefan: Na ja, die Biervielfalt ist ja, die hast du ja quasi von klein auf auch schon erlebt, wenn du aus Bamberg kommst.

Christian Klemenz: Ja, also genau, das erkennt man so richtig auch erst als Franke, wenn man Franken ein bisschen verlässt. Dass das eben nicht normal ist, dass es irgendwie im Üblichen, in einem stinknormalen Getränkemarkt irgendwie Dutzende von verschiedenen Brauereien gibt, mit Dutzenden Sorten und saisonalen Produkten.

Stefan: Und war das von vornherein schon eine Vision, irgendwann so ein Franchise-Unternehmen aufzuziehen? Oder war da irgendwie erst mal der Punkt :Wir machen erst mal einen Laden und Onlinehandel und schauen dann mal.

Christian Klemenz: Wie so oft in der ganzen Unternehmensgeschichte sind auch noch mal Sachen einfach so ein bisschen zu uns gekommen, ohne dass die jetzt auch von langer Hand strategisch geplant waren. Also wir hatten ja tatsächlich nach nicht mal einem Jahr schon drei Filialen. Und es kam auch, wie gesagt, fast ein bisschen von allein. Als wir im Sommer 2014 die Bamberger Filiale, aufgemacht haben, ich glaube, da gingen vielleicht mal zwei, drei Monate ins Land. Und dann kam tatsächlich schon auch die erste Anfrage aus Nürnberg, weil es jemand mitbekommen hatte. Der Steffen (Steffen Rohnalter, Anm. der Redaktion), unser Franchisenehmer, seit mittlerweile sieben Jahren, auch schon eine lange Zeit, sagte: Mensch prima, warum gibt es so einen Laden eigentlich nicht in Nürnberg? Der würde auch passen. Also für uns ist einfach ein sehr vorteilhaftes Betriebsmodell und der Erfolg gibt uns da auch ein Stück weit recht. Also mit David Hertl, vielleicht bekannt, der unsere Bamberger Filiale auch von Anfang an betreut, haben jetzt auch das Vertragsverhältnis noch mal um fünf Jahre verlängert, mit unserem Nürnberger Franchisenehmer auch noch mal um weitere fünf Jahre. Wie gesagt, wir denken das sehr langfristig. Und auch wenn der Begriff Franchise, das ist mir durchaus bewusst, manchmal so ein bisschen negativ besetzt ist.

Stefan: Da gibt es aber auch verschiedene Modelle, anscheinend. Also es gibt Läden, die Bierothek heißen und, wir haben ihn eben schon erwähnt, den Christian Temme. Der Laden heißt ja Braustättchen und der ist Partner-Laden oder Partner-Händler.

Christian Klemenz: Partner. Genau, erkläre ich. Erkläre ich gerne. Genau. Das ist ein Franchise light, wenn man so möchte. Also unsere Partnerhändler, die nutzen unsere Kassenzulassung, unsere Software, sind genauso angebunden, nutzen auch unsere Buchhaltungslösungen, unser Gutscheinsystem. Und so weiter. Sie treten dann teilweise auch mit einer eigenen Marke am Markt auf, wie hier zum Beispiel im Braustättchen. Wir sind da auch nicht dogmatisch. Uns geht es immer darum, wie man, wie wir eben eine sinnvolle Zusammenarbeit hinstellen können. Das Wichtigste für uns ist eigentlich immer, dass im wahrsten Sinn des Wortes das Betriebssystem stimmt. Wir haben ja quasi eine eigene IT-Softwarelösung aufgebaut, um einen Laden zu betreiben, wo die Kasse dranhängt, wo eine kleine Warenwirtschaft dranhängt, wo eine Verbindung zum Steuerberater, alles Mögliche dranhängt.

Regine: Gab es auch schon Schließungen von Filialen?

Christian Klemenz: Das gab es tatsächlich nur einmal. Wir hatten eine Filiale in Erfurt, die nicht ganz so gut gelaufen ist.

Regine: Ja, das ist okay. Es gibt ja diese Fuck-up. Nights. Was würdest du auf so einer Veranstaltung erzählen?

Christian Klemenz: Oh Gott, kann ich ganz, ganz viel erzählen. Was vielleicht von außen immer so wie eine gerade Linie ausschaut. Genau das hat man mit einer Filiale angefangen und jetzt haben wir hier so ein bundesweites Netz, was irgendwie wie so eine gerade Linie nach oben ausschaut, ist es natürlich in Wirklichkeit nicht so vom Innenleben. Das sind ganz viele Schwierigkeiten, Stolpersteine und wir hatten natürlich auch schon ganz schwierige Phasen, zum Teil. Aber das gehört einfach dazu. Genau, also von daher, ja, ich könnte so vieles erzählen, diese 1000 Sachen, die schon schiefgegangen sind.

Regine: Und nenn mir ein Beispiel.

Christian Klemenz: Wir haben relativ früh entschieden: So, wir wollen uns auch bisschen unabhängiger von Importeuren und Großhändlern machen und haben dann quasi gesagt okay, wir bauen uns jetzt quasi auch eine eigene Importstruktur auf und machen das quasi jetzt selbst. Genau. Also übernehmen diese diese Großhandelsrolle letztendlich auch, was wir auch sind. Also genau wir. Wir sind auch Großhändler. Wir beliefern auch andere Läden, Gastronomie. Und so weiter. Und genau da muss man auch etwas Lehrgeld am Anfang zahlen, wenn es um dieses Geschäft ging. Also ich kann mich da zum Beispiel erinnern, da sind wir mit der japanischen Marke Guido in Kontakt gekommen, die habe ich dann sogar mal besucht. Das hat ganz gut gepasst, weil meine jüngere Schwester damals ein Auslandssemester in Japan gemacht hat. Damals hatten wir noch nicht so die Erfahrung. Was für Mengen? Schwierig abzuschätzen, was kann man da absetzen kann. Wir haben dann einen kompletten 20 Fuß-Container bestellt von dem Bier und haben dann nach wenigen Wochen gemerkt, das kriegen wir niemals verkauft. Also das war einfach viel zu viel und der Rechnungsbetrag war auch ziemlich hoch. Und das war so ein Riesen- klassischer Fehler. Dann haben wir uns dann mit denen ein paar Monate später in der Filiale in Nürnberg mit dem Inhaber aus Japan getroffen, der war da sehr kulant. Die Japaner denken auch sehr langfristig, er hat großzügig, sage ich mal, die Rechnung etwas gekürzt. Genau, da wird man dann schon mal nervös, wenn dann wieder größere fünfstellige Beträge auf einmal zur Disposition stehen.

Regine: Na ja, das kann ich mir vorstellen. Stefan hat ja auch gerade eben gesagt: Die Vielfalt in Franken, das stimmt. Wobei die Bierstile, die jetzt gerade für die Craft Beer-Bewegung stehen oder für den Bereich Bier-Spezialitäten, in Franken dann doch eher, sage ich mal, ungeübt waren, jedenfalls in diesen frühen Jahren, von denen wir bisher gesprochen haben, zum Beispiel. Wie bist du denn da überhaupt rangegangen? Wie hast du die Biere ausgesucht? Es muss ja zu den Leuten passen, die da einkaufen gehen, die das noch nicht kennen. Das stelle ich mir total schwer vor.

“Also es war wahrscheinlich nicht die größte Idee aller Zeiten, aber auch nicht die Schwachsinnsidee, sondern irgendwo dazwischen.”

Christian Klemenz

Christian Klemenz: Ja, das war es natürlich. Wir hatten da noch überhaupt keine Erfahrungswerte. Also es gab ja auch kein richtiges Beispiel. Wir haben einfach so probiert, rückblickend betrachtet. Also die Lager waren wirklich komplett polarisiert damals, als wir angekündigt haben, wir machen jetzt so eine Bierothek auf. Es war, es hat immer geschwankt zwischen: super Idee, quasi Bierstadt Bamberg. Warum gibt es sowas nicht schon längst? Und: der größte Schwachsinn überhaupt, so wie Eulen nach Athen tragen. Warum bringt man jetzt quasi noch irgendwie auswärtige Biere? Und wie so oft im Leben ist die Wahrheit dann irgendwo dazwischen. Also es war wahrscheinlich nicht die größte Idee aller Zeiten, aber auch nicht die Schwachsinnsidee, sondern irgendwo dazwischen. Wir haben uns da einfach vorgetastet und haben einfach mal eingekauft, auch viele Fehler gemacht. Die ersten Jahre muss man schon sagen, auch immer MHD-Ware, also abgelaufene Ware teilweise produziert. Das hat meine Kumpels gefreut, weil ich dann immer viel abgelaufene Bier mitbringen konnte. Es war schon von Anfang an klar, dass wir nicht jedem verständlich machen können, aber auch nicht jedem verständlich machen müssen, was wir wollen. Also wir machen ein Angebot, es gibt ja keinen Zwang. Ja, also wie gesagt, es ist so, mich persönlich hat es auch eigentlich nie so interessiert, sage ich mal, ob da irgendwie dann auch der eine oder andere es eben nicht verstanden hat oder Kritik geäußert hat oder was auch immer. Also das war, wie gesagt, wenn ich da zurückdenke vor sieben, acht Jahren, da gab es hitzige Diskussionen, mittlerweile, sage ich mal, um das auch mal so ein bisschen einzuordnen: Wo jetzt die ganze Szene so ein bisschen steht, das ist ja schon auch ein Erfolg, finde ich. Auch wenn es jetzt vielleicht nicht der gigantische Marktanteil ist, den sich viele erhofft haben, aber es hat auf jeden Fall so eine Daseinsberechtigung und es ist für die wenigsten Leute noch, sage ich jetzt mal, ein total rotes Tuch.

Stefan: Das ist ja, wie wir diese Woche ja in der Wirtschaftswoche lesen konnten 43 % der Biertrinker haben ja schon mal die Erfahrung mit Craft Beer gemacht.

Christian Klemenz: Genau, was auch immer diese Gruppe vorstellt, da fängt es ja schon an, aber ja.

Regine: Ihr habt ja jüngst auch einen Blog gekauft, das heißt, es passiert wirklich viel bei euch. Ein großes Lager habt ihr gebaut. Jetzt kommt dieser Beer Score dazu. Wie viel habt ihr da jetzt allein in den letzten zwei Jahren investiert?

Christian Klemenz: Bei mir war es hauptsächlich meine Zeit, meine Leistung, meine Arbeitsleistung. Es ist kein Geheimnis. Ich habe schon von meinen zwei Gründungs-Gesellschaftern, meinen zwei Studienkollegen, gesprochen, die auch hauptsächlich ihre Arbeitsleistung in der frühen Phase mit eingebracht haben. Und zwei Mitgesellschafter haben wir, also Investoren, wenn man so möchte, die aber auch gar nichts zu tun haben. Das kam damals auch über die Indien-Connection zustande, weil die beiden auch eine starke Bier-Affinität haben. Also das eine ist ein IT-Unternehmer und das andere ist ein Kabel-Unternehmer, die aber beide sehr stark in Indien unterwegs waren. Und so kamen wir zusammen. Ich kann mich glücklich schätzen, dass die sozusagen als Gesellschafter mit an Bord gekommen sind und dann auch natürlich Geld zur Verfügung gestellt haben. Sonst wäre es natürlich auch nicht möglich gewesen, die Firma mittlerweile auf die Größe aufzubauen. Ganz klar.

“Es ist nicht nur Business.”

Christian Klemenz

Regine: Wie viele Leute arbeiten da jetzt direkt bei euch in diesem Unternehmen, in der Unternehmenszentrale.

Christian Klemenz: In der Zentrale? Das heißt sprich, Büro und Zentrallager sind so knapp 20 Leute und die Filialen sind organisatorisch eigene Einheiten. Also an allen Standorten arbeiten wahrscheinlich auch noch mal so 60 bis 70 Leute.

Regine: Nervt dich Bier jetzt manchmal?

Christian Klemenz: Nee, also. So weit würde ich nicht gehen. Nur. Man bekommt natürlich auch einen nüchternen Blick darauf. Ich kann mich erinnern, da gerade war ich lange im Büro, was ab und zu vorkommt. Und da ist mir eingefallen, ich wollte daheim noch ein Bier trinken, ich habe aber gar kein Bier mehr da. Und dann habe ich noch mal was aus der Filiale geholt und selber realisiert: Mensch, ist ja eigentlich ein Luxus, dass ich jetzt quasi hier, sozusagen so in meinem eigenen Laden, mir jetzt einfach irgendwie was Cooles aussuchen kann. Es ist nicht nur Business. Aber nein, also definitiv bin ich des Bieres in keinster Weise überdrüssig.

Regine: Darf ich fragen, wie alt du bist?

Christian Klemenz: Ich bin 35.

Regine: Es heißt, alkoholfreie Biere werden immer stärker am Markt. Merkt ihr das auch bei euch in eurem Portfolio?

Christian Klemenz: Ja, ist auf jeden Fall eine mittlerweile ganz fest etablierte Kategorie, die auch, wie gesagt, jetzt auch nicht mehr nur von, ich sage jetzt mal, von einzelnen Highlights irgendwie abhängig ist, sondern ist eine feste Kategorie mit einem breiten Sortiment. Wir sind da immer noch natürlich prozentual im einstelligen Bereich. Also das ist jetzt noch nicht, noch nicht über 10 % oder so, aber trotzdem schon auf jeden Fall eine relevante Kategorie, die auf jeden Fall auch definitiv bleiben wird und auch wachsen wird.

Regine: Du hast am Anfang gesagt: Vision. Erzähl doch mal genau, was das werden soll.

Regine: Du bist viel auf Reisen, was unsere Hörer an Hörerinnen vielleicht interessiert. Und mich auch. Und Stefan bestimmt auch. Wo sollte man unbedingt mal hinreisen?

Christian Klemenz: Oh, das ist auch schwierig, da es nur eine oder wenige Orte zu nennen. Also vielleicht so ein bisschen. Ich sage es gleich mal ein, was unerwartet ist, also zum Beispiel also Bukarest, Rumänien habe ich sehr viele tolle Biere schon getrunken, eine super kleine Craft Beer Szene. Also das ist so als kleiner Geheimtipp vielleicht.

Stefan: Ja okay.

Christian Klemenz: Budapest. Eine super spannende Craft Beer Stadt. Ja, und dann? Ich war im Frühjahr dieses Jahres auch wieder auf der Beer&Food Attraction in Rimini in Italien, wo die italienische Craft bisschen zusammen gekommen ist. Da finde ich, hat sich auch sehr viel getan. Italian Grape Ale als eigener Stil. Jetzt in Italien, also in Deutschland, würde man Wein-Bier-Hybride sagen. Hat sich qualitativ extrem verbessert.

Regine: Wir haben ja über deine große Stärke gesprochen. Was ist denn die große Stärke von Bier?

Christian Klemenz: Es ist einfach das beste Getränk der Welt. Das muss man so sagen. Weil es einfach ein soziales Getränk ist. Okay, Stefan meint, es ist Zeit.

Stefan: Ich denke auch, Zeit für die Frage nach dem Desert Island Bier. Das Bier für die einsame Insel.

Christian Klemenz: Das wäre wahrscheinlich bei mir das Mönchsambacher Lager, ein einfach sensationell gutes Bier und es käme vielleicht deswegen auch auf die einsame Insel, weil ich das auch fast zu jedem Anlass und zu jeder Tageszeit trinken kann.

Die nächste HHopcast-Folge erscheint am Freitag, 28.10.22, am letzten Freitag im Monat.

HHopcast ist der monatliche Craft Beer-Podcast von Regine Marxen und Stefan Endrigkeit. Redaktion & Moderation: Regine Marxen und Stefan Endrigkeit, Produktion & Sounddesign: Stefan Endrigkeit, Text & Redaktion Blog: Regine Marxen
Header: Regine Marxen/ priv.

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